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Verschaltete Hirnkreise formen menschliches Verhalten

    Warum greifen Menschen morgens automatisch zur Kaffeetasse, ohne über jeden einzelnen Handgriff nachzudenken? Diese  Beobachtung führt zu einer grundlegenden Frage der Neurowissenschaften: Wie steuert das Gehirn das menschliche Verhalten durch bewusste Entscheidungen oder durch eingeübte Routinen? Traditionell wird angenommen, dass zwei voneinander getrennte Systeme diese Prozesse lenken: ein schnelles, intuitives System für automatische Handlungen und ein langsames, reflektiertes System für bewusstes Handeln. Dieses Modell, das unter anderem durch Daniel Kahnemans Konzept des „schnellen“ und „langsamen“ Denkens bekannt… Weiterlesen »Verschaltete Hirnkreise formen menschliches Verhalten

    Unbedingt Normalzeit als Standardzeit einführen, d. h., die aktuelle Winterzeit

    Mitten im tiefsten Winter wurde mir endlich bewusst, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer wohnt. Albert Camus Die Mehrheit der Europäer befürwortet zwar die Abschaffung der Zeitumstellung und bevorzugt dabei die Sommerzeit, doch die Winterzeit entspricht eher der inneren Uhr des Menschen. Die Sommerzeit ist kein natürliches Ereignis, sondern ein politischer Beschluss, der die innere Uhr immer wieder aus dem Takt bringt. Dabei entspricht die Winterzeit, also die natürliche Zeit, dem menschlichen Biorhythmus, der den Schlaf, den… Weiterlesen »Unbedingt Normalzeit als Standardzeit einführen, d. h., die aktuelle Winterzeit

    Stottern zwischen Ursache, Therapie und Selbstwert: Fortschritte, Herausforderungen und gesellschaftliche Akzeptanz

      Trotz jahrzehntelanger Forschung bleibt Stottern eine komplexe und in vielen Aspekten ungeklärte Sprachstörung, die etwa ein Prozent der Weltbevölkerung betrifft. Die Störung des Redeflusses, die unabhängig von Herkunft oder Sprache auftritt, zeigt sich typischerweise in wiederholten Lauten, Blockierungen und Unterbrechungen der Stimmlippenschwingung beim Sprechen. Laut dem Logopäden Hartmut Zückner sind vor allem Übergänge zwischen Konsonanten und Vokalen problematisch, da hier häufig die Stimmlippenschwingung abreißt. Obwohl in den letzten Jahren genetische Faktoren zunehmend in den Fokus gerückt sind… Weiterlesen »Stottern zwischen Ursache, Therapie und Selbstwert: Fortschritte, Herausforderungen und gesellschaftliche Akzeptanz

      Das verkörperte Selbst: Wie die Wahrnehmung des eigenen Kindergesichts vergessene Erinnerungen weckt

        Die Fähigkeit, sich an Erlebnisse aus der frühen Kindheit zu erinnern, ist bis heute ein faszinierendes Rätsel der Kognitionswissenschaft. Während manche Szenen aus den ersten Lebensjahren lebendig vor dem inneren Auge erscheinen, scheinen andere unwiederbringlich verloren. Eine aktuelle Studie von Gupta et al. (2025) zeigte nun, dass nicht allein die Gedächtnisstruktur bestimmt, was abrufbar ist, sondern auch die Art und Weise, wie wir unseren Körper – und damit uns selbst – wahrnehmen. Das sogenannte Körperselbst kann als… Weiterlesen »Das verkörperte Selbst: Wie die Wahrnehmung des eigenen Kindergesichts vergessene Erinnerungen weckt

        Hirnstimulation als Behandlung schweren Stotterns

          Stottern zählt zu den komplexesten Redeflussstörungen und betrifft etwa ein Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Die Betroffenen kämpfen häufig mit erheblichen Einschränkungen im Alltag und ihrer sozialen Teilhabe. Obwohl genetische, anatomische und neurophysiologische Faktoren bekannt sind, bleibt die genaue Ursache weitgehend ungeklärt. Neurowissenschaftliche Befunde zeigen, dass bei stotternden Personen die linke Hörrinde weniger mit der motorischen Rinde interagiert, die für die Steuerung der Sprachmuskulatur zuständig ist. Möglicherweise übernimmt deshalb die rechte Hemisphäre kompensatorisch Aufgaben, die sie aufgrund der… Weiterlesen »Hirnstimulation als Behandlung schweren Stotterns

          Triacylglyceride als weitere Energiereserven im Gehirn

            Das menschliche Gehirn ist das komplexeste und energiehungrigste Organ des Körpers. Obwohl es lediglich rund 2 % der gesamten Körpermasse ausmacht, beansprucht es einen beachtlichen Anteil von etwa 20 % der täglich aufgenommenen Energie. Diese immense Anforderung ist notwendig, um die kontinuierliche synaptische Aktivität und die Aufrechterhaltung der neuronalen Integrität zu gewährleisten. Über Jahrzehnte hinweg galt die Glucose (Traubenzucker) als die fast alleinige Energiequelle für das Gehirn. Die klassische neurologische Lehrmeinung besagte, dass Neurone Glucose primär durch… Weiterlesen »Triacylglyceride als weitere Energiereserven im Gehirn

            Haben Finger ein Gedächtnis für Knöpfe oder Tasten?

              Die umgangssprachliche Annahme, dass Finger ein Gedächtnis für Knöpfe oder Tasten haben, wird in der Psychologie und Neurowissenschaft durch das Konzept des prozeduralen Gedächtnisses oder motorischen Gedächtnisses – auch als Muscle Memory bezeichnet)- gestützt. Das prozedurale Gedächtnis Das sogenannte „Gedächtnis der Finger“ ist in Wirklichkeit eine Form des impliziten oder non-deklarativen Gedächtnisses, genauer gesagt das prozedurale Gedächtnis (Squire & Zola, 1996). Das prozedurale Gedächtnis ist verantwortlich für das Speichern und Abrufen von Fertigkeiten, Gewohnheiten und automatisierten Handlungsabläufen.… Weiterlesen »Haben Finger ein Gedächtnis für Knöpfe oder Tasten?

              Das System der menschlichen Bedürfnisse – Ursprung, Struktur und Bedeutung

                Das Leben selbst gründet auf Bedürfnissen – sie sind der Motor für Erhaltung, Entwicklung und Anpassung aller Lebewesen. Wie Richard Dawkins beschreibt, liegt im Kern jedes Verhaltens der evolutionäre Drang, Gene zu reproduzieren. Organismen sind demnach Werkzeuge ihrer Gene, deren Überleben und Weitergabe das grundlegende Ziel darstellt. Aus dieser primären Notwendigkeit heraus haben sich im Lauf der Evolution vielfältige Bedürfnisse und Mechanismen entwickelt, die das Überleben des Individuums und der Art sichern. Die Regulation dieser Bedürfnisse geschieht… Weiterlesen »Das System der menschlichen Bedürfnisse – Ursprung, Struktur und Bedeutung

                Das verteilte Gehirn: Wie Entscheidungen parallel entstehen

                  Entscheidungen erscheinen uns als spontane, einheitliche Gedankenakte. Doch aktuelle neurowissenschaftliche Befunde zeichnen ein deutlich komplexeres Bild: Die Prozesse, die zu einer Entscheidung führen, verlaufen nicht in klar abgegrenzten hierarchischen Bahnen, sondern in einem vielschichtigen Zusammenspiel zahlreicher Hirnareale. Zwei im Fachjournal Nature veröffentlichte Studien des International Brain Laboratory (IBL) zeigen, dass Entscheidungsfindung ein global vernetztes und hochgradig paralleles Phänomen ist, das nahezu das gesamte Gehirn erfasst (Findling et al., 2025; Meshulam et al., 2025). Das IBL, ein Zusammenschluss… Weiterlesen »Das verteilte Gehirn: Wie Entscheidungen parallel entstehen

                  Bewegung als Verstärker des Hörens

                    Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass das menschliche Hörvermögen während des Gehens dynamisch angepasst wird und stärker auf akustische Reize reagiert als im Stehen oder beim Treten auf der Stelle. In einer Untersuchung von Chen et al. (2025) wurden 30 Versuchspersonen gebeten, auf einem achterschleifenförmigen Kurs durch einen Raum zu gehen, während sie wechselnden Geräuschkulissen ausgesetzt waren. Mithilfe mobiler EEG-Messungen konnte man feststellen, dass die Gehirnreaktionen nicht nur durch das Gehen an sich, sondern auch durch die jeweilige Bewegungsrichtung… Weiterlesen »Bewegung als Verstärker des Hörens

                    AI Slop – Was ist das?

                      AI Slop oder KI-Schlamm ist ein relativ neuer, meist abwertend verwendeter Begriff aus der Netzkultur. Gemeint sind damit Inhalte, die mit Künstlicher Intelligenz (z. B. Bild- oder Textgeneratoren) erzeugt wurden und als billig, seelenlos oder massenhaft automatisiert empfunden werden. Typische Merkmale von AI Slop: Übersättigung: Flut an KI-generierten Bildern, Texten oder Musik ohne erkennbare individuelle Handschrift. Qualitätsmängel: oft formelhaft, generisch oder oberflächlich, z. B. Bilder mit fehlerhaften Händen, Texte mit leeren Phrasen. Kulturelle Kritik: wird gesehen als… Weiterlesen »AI Slop – Was ist das?

                      Neue Perspektiven auf Phantomschmerz und Therapie

                        Lange Zeit herrschte in der Neurowissenschaft die Auffassung, dass sich die kortikale Repräsentation im Gehirn nach einer Amputation grundlegend verändert. Demnach würden benachbarte Körperareale, wie die Lippen, die zuvor für die amputierte Hand reservierte Region des somatosensorischen Kortex übernehmen. Diese sogenannte kortikale Reorganisation galt als maßgebliche Erklärung für das Auftreten von Phantomschmerzen, die bei bis zu 90 % der Amputierten auftreten. Doch eine aktuelle Längsschnittstudie von Schone et al. (2025), veröffentlicht in Nature Neuroscience, stellt diese Annahme… Weiterlesen »Neue Perspektiven auf Phantomschmerz und Therapie