Die Fähigkeit, Informationen über verschiedene Sinnesmodalitäten hinweg zu übertragen, ist eine fundamentale Eigenschaft intelligenter Lebewesen, wobei es diese sinnübergreifende Generalisierung Tieren und vermutlich auch dem Menschen ermöglicht ,auf bereits erworbenes Wissen zurückzugreifen, selbst wenn sich die Art der Sinneswahrnehmung ändert. Eine aktuelle Studie von Guyoton et al. (2025) hat die zugrunde liegenden neuronalen Mechanismen am Mausmodell untersucht.
Im Zentrum der Untersuchungstand daher die Frage, wie das Gehirn Informationen, die ursprünglich über den Tastsinn aufgenommen wurden, später über das Sehen korrekt interpretieren kann. Dabei wurde eine Region im sogenannten rostro-lateralen Cortex identifiziert, in der sich taktile und visuelle Reize überlappen. Diese Region scheint eine zentrale Rolle in der Verarbeitung und Generalisierung von Sinneseindrücken zu spielen. Mithilfe modernster Verfahren kartierte man die Hirnaktivität von Mäusen auf zellulärer Ebene. Man trainierte die Tiere zunächst darauf, mit ihren Tasthaaren (Vibrissen) zu unterscheiden, ob ein Reiz von oben oder von unten kam, denn nur wenn ein Reiz von unten wahrgenommen wurde, erhielten die Mäuse nach dem Ablecken eines Röhrchens eine Belohnung. Anschließend wurden die taktilen Reize durch visuelle ersetzt: Schatten bewegten sich von oben oder unten durch das Sichtfeld der Tiere. Trotz dieses Wechsels der Sinnesmodalität lösten die Mäuse die Aufgabe weiterhin korrekt, was als ein klarer Hinweis darauf interpretiert werden kann, dass sie die gelernte Regel vom Tastsinn auf das Sehen übertragen konnten.
Diese Fähigkeit zur Übertragung wurde jedoch beeinträchtigt, als die identifizierte Hirnregion gezielt deaktiviert wurde, denn die Mäuse waren nun nicht mehr in der Lage, zwischen den Modalitäten zu generalisieren, obwohl sie einfache Aufgaben innerhalb einer Sinnesmodalität weiterhin bewältigen konnten. Dieser Befund legt nahe, dass die untersuchte Region im dorsalen Strom des Cortex nicht nur an der multisensorischen Verarbeitung beteiligt ist, sondern auch die Grundlage für abstraktes Schlussfolgern bildet.
Diese Studie liefert erstmals eine detaillierte Beschreibung der kortikalen Schaltkreise, die für sinnübergreifende Generalisierung verantwortlich sind, wobei besonders bemerkenswert dabei die Entdeckung multimodaler Neuronen mit kongruenter räumlicher Kodierung in mehreren Assoziationsgebieten des dorsalen und ventralen Verarbeitungspfades ist. Durch diese Kombination von großflächiger funktioneller Bildgebung, Verhaltensanalysen und gezielter optogenetischer Manipulation gelang es den Forschenden, eine spezifische Region zu identifizieren, die sowohl notwendig als auch hinreichend für diese kognitive Leistung ist. Diese neuronale Plastizität stellt nicht nur einen Meilenstein in der neurowissenschaftlichen Grundlagenforschung dar, sondern könnte langfristig auch neue Perspektiven für die Entwicklung künstlicher Intelligenz oder neurotechnologischer Anwendungen eröffnen.
Literatur
Guyoton, M., Matteucci, G., Foucher, C. G., Getz, M. P., Gjorgjieva, J. & El-Boustani, S. (2025). Cortical circuits for cross-modal generalization. Nature Communications, 16, doi:10.1038/s41467-025-59342-9.
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