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Ängste am Arbeitsplatz

    Angst am Arbeitsplatz ist ein weit verbreitetes Phänomen, das verschiedene Formen annehmen kann und erhebliche Auswirkungen auf das individuelle Wohlbefinden sowie die berufliche Leistungsfähigkeit hat. Die Psychologin Beate Muschalla (2021) identifiziert drei zentrale Formen von Angst im beruflichen Kontext: Sorgenangst, Arbeitsplatzphobie und soziale Angst. Sorgenangst beschreibt eine ständige gedankliche Beschäftigung mit möglichen Fehlern oder zukünftigen Problemen, wobei die Betroffenen oft unter einem chronischen inneren Druck stehen. Arbeitsplatzphobie äußert sich in körperlichen Panikreaktionen bereits bei der Vorstellung, zur Arbeit gehen zu müssen. Diese Form der Angst kann zu Vermeidungsverhalten bis hin zur völligen Arbeitsunfähigkeit führen. Soziale Angst wiederum betrifft die Interaktion mit anderen Menschen am Arbeitsplatz und kann sich als übermäßige Nervosität in Besprechungen, Vermeidung von Augenkontakt oder starke Selbstzweifel im Umgang mit Kolleginnen, Vorgesetzten oder Kunden zeigen. Solche Ängste sind häufig mit einem erhöhten Risiko für depressive Symptome, verminderte Arbeitszufriedenheit und erhöhte Fehlzeiten verbunden.

    Ursachen arbeitsbezogener Ängste liegen oft in einer Kombination aus persönlichen Dispositionen (z. B. Perfektionismus, geringe Selbstwirksamkeitserwartung), ungünstigen Arbeitsbedingungen (z. B. Zeitdruck, unklare Rollenerwartungen, mangelnde soziale Unterstützung) sowie biographischen Vorerfahrungen. Besonders kritisch ist der Umgang mit Vermeidung: Wer angstauslösende Situationen dauerhaft meidet, verstärkt damit häufig das Angstempfinden. Muschalla empfiehlt daher ein schrittweises Vorgehen, bei dem Betroffene sich gezielt mit der angstauslösenden Situation konfrontieren – etwa durch kleine, realistische Zielsetzungen, wie das schrittweise Vorbereiten und Halten eines kurzen Vortrags. Unterstützend wirkt auch die Reflexion über die eigenen Annahmen: Oft sind diese von überzogener Selbstkritik oder irrationalen Befürchtungen geprägt, die sich bei näherer Betrachtung nicht belegen lassen. Das bewusste Festhalten positiver Erlebnisse im Arbeitsalltag kann helfen, die Wahrnehmung der eigenen Wirksamkeit zu stärken und einen konstruktiveren Umgang mit herausfordernden Situationen zu entwickeln.

    In Fällen, bei denen solche Ängste den beruflichen und privaten Alltag stark beeinträchtigen, sollte professionelle Hilfe – etwa in Form einer kognitiven Verhaltenstherapie – in Betracht gezogen werden. Studien belegen, dass verhaltenstherapeutische Ansätze bei arbeitsbezogenen Ängsten besonders wirksam sind, da sie sowohl an dysfunktionalen Gedanken als auch an konkretem Verhalten ansetzen (Hofmann et al., 2012). Eine häufige, jedoch problematische Strategie ist das dauerhafte Krankschreiben. Zwar kann eine kurzfristige Auszeit entlastend wirken, langfristig jedoch besteht die Gefahr, dass sich die Angst generalisiert und der Arbeitsplatz als Ganzes zum Auslöser von Stress und Panik wird.

    Angst am Arbeitsplatz ist daher kein Zeichen persönlicher Schwäche, sondern ein verbreitetes, psychologisch erklärbares Phänomen, das mit geeigneten Strategien und gegebenenfalls professioneller Unterstützung gut behandelbar ist. Ein bewusster und reflektierter Umgang mit diesen Ängsten kann nicht nur das individuelle Wohlbefinden steigern, sondern auch die Qualität der Zusammenarbeit und das gesamte Betriebsklima verbessern.



    Literatur

    American Psychiatric Association. (2022). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (5th ed., text rev.; DSM-5-TR). American Psychiatric Publishing.
    Hofmann, S. G., Asnaani, A., Vonk, I. J., Sawyer, A. T. & Fang, A. (2012). The Efficacy of Cognitive Behavioral Therapy: A Review of Meta-analyses. Cognitive Therapy and Research, 36, 427–440.
    LeBlanc, N. J., & Marques, L. (2019). Workplace stress and anxiety: The role of psychological flexibility. Journal of Contextual Behavioral Science, 14, 102–108.
    Muschalla, B. & Linden, M. (2013). Arbeitsplatzbezogene Ängste und Arbeitsplatzphobie: Phänomenologie, Diagnostik, Behandlung, Sozialmedizin. Kohlhammer.
    Muschalla, B. (2021). Angst im Job: Wie psychische Belastungen am Arbeitsplatz entstehen und was man dagegen tun kann. Springer.


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