Häufig hört man das Argument, dass Menschen mit starkem Glauben seltener unter Angst und Depressionen leiden. Wissenschaftler der Universität Zürich und der Ruhr-Universität Bochum haben nun einige hundert Kirchgänger befragt, die in den letzten vier Jahren ein belastendes Erlebnis wie eine schwere Krankheit, ein Trauma oder einen Trauerfall zu verarbeiten hatten. Es zeigte sich aber, dass ein negatives Gottesbild zu psychischen Problemen führen kann. Entscheidend dafür, ob der Glaube Heil oder Unheil bringt, ist das Gottesbild der Gläubigen, denn sehen sie Gott positiv als gütigen, vergebenden Vater, der ihnen in schweren Zeiten zur Seite steht, dann hilft das, in der Belastung einen Sinn zu finden, wer aber ein negatives Gottesbild hat und Gott als Rächer sieht, der den Menschen für seine Sünden straft, tut sich schwerer, mit Belastungen umzugehen.
In den Literaturangaben sind einige Untersuchungen angeführt, die zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen einem negativen Gottesbild und psychischen Problemen wie Angst und Depressionen gibt, wobei diese Studien aus der Religionspsychologie und der klinischen Psychologie kommen. Ein negatives Gottesbild bezieht sich dabei auf die Vorstellung, dass Gott strafend, abweisend oder unverfügbar ist, sodass Menschen, die dieses Bild von Gott haben, ein stärkeres Gefühl der Angst, Scham und Schuld empfinden, was wiederum das Risiko für psychische Erkrankungen erhöhen kann. So kann ein negatives Gottesbild die Wahrnehmung von Bedrohung oder Gefahr im Leben verstärken, denn wenn jemand glaubt, dass Gott grausam oder unbarmherzig ist, kann dies zu chronischem Stress und existenzieller Angst führen. Darüber hinaus entwickeln Menschen, die ein destruktives oder bestrafendes Bild von Gott haben, nicht selten ein geringeres Selbstwertgefühl und haben Schwierigkeiten, Hoffnung und Trost zu finden. Ein solches Gottesbild führt auch zu einem übermäßigen Gefühl der Schuld und Scham, was sich negativ auf das psychische Wohlbefinden auswirkt. Menschen mit einem negativen Gottesbild fühlen sich nicht selten weniger unterstützt und weniger geliebt, was soziale Isolation zur Folge haben kann. Aber es gibt auch Studien, die zeigen, dass ein positives Gottesbild eine schützende Funktion gegen psychische Erkrankungen haben kann, indem er Trost, Hoffnung und ein Gefühl der Zugehörigkeit vermittelt, denn einige Studien haben gezeigt, dass Menschen, die ihre Spiritualität als Quelle der positiven Unterstützung und der persönlichen Entwicklung erleben, tendenziell gesünder sind, während die negative Wahrnehmung von Gott zu inneren Konflikten und psychischen Belastungen führen kann.
Allerdings gibt es auch einige Untersuchungen, die zeigen, dass religiöse Menschen oft mit einem inneren Zwiespalt leben, dass sie sich gar nicht so verhalten, wie es eigentlich der Glaube beziehungsweise ihre Religion von ihnen verlangen würde. Das kann bei ihnen permanente Schuldgefühle auslösen. Siehe dazu Religion und Moral.
Studien zeigen auch, dass Angst häufig in Aggression umgewandelt wird, vor allem wenn Menschen die Schuld an den Umständen bei anderen suchen und weniger glauben, dass sie sich selbst ändern sollten, um der Angst zu begegnen. Diese Tatsache erklärt auch, dass viele religiöse Gruppierungen aus Angst – nicht zuletzt einem strafenden Gott gegenüber – dazu neigen, anderen Gruppen mit einer anderen Glaubensrichtung mit Aggression zu begegnen. Die Ursachen zahlreicher Religionskriege kann daher der permanenten Angst religiöser Gesellschaften begründet liegen, wobei die Gegner oft auf grausamste Weise bekämpft werden.
Siehe dazu den Beitrag Religion, Schuldgefühle und Angst
Literatur
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Pargament, K. I. & Park, C. L. (1995). Religion and the clinical psychology of depression. In W. R. Miller (Ed.), Integrating spirituality into treatment: Resources for practitioners (pp. 215-229). American Psychological Association.
Wilkins, K.,& Lovell, L. (2001). The influence of spirituality on mental health. Journal of Religion and Health, 40, 297-312.
Zürcher TagesAnzeiger vom 1.3.2009
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Hallo,
ich interessiere mich sehr für das Thema! Ich suche nach wissenschaftlichen Beiträgen/ Büchern/ Studien dazu.
Liebe Grüße
Ich habe auf Ihre Anregung hin einige Arbeiten zu diesem Thema in den alten Artikel eingebaut.
W. S.