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Die dunkle Seite der Empathie

    Aus psychologischer Sicht gibt es auch eine dunkle Seite der Empathie, denn während Empathie grundsätzlich als eine positive, prosoziale Fähigkeit angesehen wird, die es Menschen ermöglicht, die Gefühle anderer zu verstehen und mitzufühlen, kann sie in bestimmten Kontexten auch negative Auswirkungen haben. Diese „dunkle Seite“ tritt insbesondere dann auf, wenn Empathie selektiv oder zu intensiv ist, oder wenn sie auf schädliche Weise eingesetzt wird.

    Es gibt Forschung, die zeigt, dass empathische Fähigkeiten auch in manipulativen oder egoistischen Kontexten genutzt werden können, denn Menschen, die über hohe empathische Fähigkeiten verfügen, können sich zwar in die Emotionen anderer einfühlen aber diese dann ausnutzen, um ihre eigenen Ziele zu erreichen. Dies ist häufig der Fall bei sogenannten „dunklen Triaden“-Persönlichkeiten (Narzissten, Machiavellisten und Psychopathen), die in der Lage sind, Empathie zu verwenden, um andere zu manipulieren. Von der Walle (2013) zeigte in einer Untersuchung, dass Machiavellisten besonders in der Lage sind, emotionale Informationen zu nutzen, um ihre Ziele zu fördern, was als eine „dunkle“ Anwendung von Empathie verstanden werden kann.

    Ein weiteres Problem der Empathie ist, dass sie in manchen Fällen zu einem Übermaß an emotionalem Leiden führen kann, was als „empathische Belastung“ oder „empathische Erschöpfung“ bezeichnet wird. Besonders in Helferberufen (z. B. Pflegeberufe, soziale Arbeit) kann das ständige Miterleben des Leidens anderer zu emotionaler Erschöpfung führen, was langfristig die psychische Gesundheit des Helfers beeinträchtigen kann. Figley (1995) hat den Begriff des „secondary traumatic stress“ eingeführt hat, der den emotionalen Stress beschreibt, den Fachkräfte erfahren können, wenn sie regelmäßig mit den Traumata anderer konfrontiert sind.

    Ein weiteres Dilemma ist, dass Empathie selektiv sein kann, was bedeutet, dass man sich eher mit den Emotionen von Menschen identifiziert, die jemandem ähnlich sind oder denen man nahe steht, während man weniger Empathie für Menschen empfindet, die fremd sind oder mit denen man nicht direkt verbunden ist, sodass diese selektive Empathie zu Vorurteilen und Diskriminierung führen kann. Eine Untersuchung von Batson et al. (2002) zeigte, dass Empathie gegenüber bestimmten Gruppen (z. B. Angehörigen der eigenen sozialen Gruppe) stärker ausgeprägt sein kann, was in der Folge zu mehr Vorurteilen gegenüber Außenstehenden führt.



    Literatur

    Batson, C. D., Lishner, D. A., Carpenter, A. & Dulin, L. (2002). Empathy and attitudes: Can feeling for a member of a stigmatized group improve feelings toward the group? Personality and Social Psychology Bulletin, 28, 22-37.
    Figley, C. R. (1995). Compassion fatigue as secondary traumatic stress disorder: An overview. In C. R. Figley (Ed.), Compassion fatigue: Coping with secondary traumatic stress disorder in those who treat the traumatized (pp. 1-20). Brunner/Mazel.
    von der Walle, H. A. (2013). Machiavellianism and emotional intelligence: The role of empathy in Machiavellian manipulation strategies. Personality and Individual Differences, 55, 484–489.


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