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Folgen von Schlafstörungen, Schlafdefizit und Rhythmusstörungen

    Folgende geistigen Fähigkeiten bauen nach einer schlaflosen Nacht am meisten ab: am deutlichsten merkt man den Schlafmangel bei der Konzentrationsfähigkeit, doch auch Geschicklichkeit, Genauigkeit und das menschliche Gedächtnis werden in Mitleidenschaft gezogen. Ähnliches gilt für alle anderen Funktionen, die mit klarem Denken zu tun haben. Schon nach sechzehn Stunden Wachsein und Informationsaufnahme benötigt man den Schlaf, damit das Gehirn diese Informationen sortieren, ordnen oder aussortieren kann. Aber der Schlaf ist auch wichtig, um das Gehirn und den Körper von Schadstoffen und Stoffwechselprodukten zu befreien.

    Konzentrationsfähigkeit
    Schlecht, wenn Sie Chirurg oder Fernfahrer sind. Oder in einer überwachenden Funktion wie Fluglotsen und Reaktorpersonal. Aber auch „normale“ Bürojobs können müdigkeitsbedingte Fehler auslösen, die fatal enden.
    Lernen erfolgt großteils im Schlaf. Träume lassen Erlebtes vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis fließen. Kognitive Eindrücke und Fertigkeiten „brennen“ sich im Schlaf ins Gehirn ein.
    Antriebslosigkeit
    Ausgepowert durch Job und sozialem Umfeld? Immer den Erwartungen Anderer entsprechen wollen? Die Negativ-Spirale beginnt sich zu drehen: Stress löst Schlafstörungen aus, welche wiederum den Stress erhöhen. Burn-out wird zur Endstation.
    Das Immunsystem wird im Schlaf gestärkt. Muskelaufbau und Zellregeneration erfolgen im Schlaf. Die Anfälligkeit für Infektionskrankheiten steigt bei Schlafmangel. Schlafstörungen müssen behandelt werden! Siesta kann nur den zweitbesten Ausgleich bieten.
    Gereiztheit
    Ihre Umwelt wird es spüren: bei Müdigkeit steigt die Aggressivität. Managementleistung sinkt. Der Einfluss auf Kollegen, Mitarbeiter und Kunden kann zu unerwünschten Wirkungen führen.

    Schlafmangel verändert die Wahrnehmung von Gesichtern

    Van Egmond et al. (2022) überprüften die Hypothese, dass Menschen trotz der bekannten verminderten Aufmerksamkeit aufgrund von akutem Schlafvmangel länger auf glückliche, wütende und ängstliche Gesichter blicken als auf neutrale Gesichter, wenn sie unter Schlafentzug leiden. Sie untersuchten auch, ob Gesichtsausdrücke nach akutem Schlafverlust anders wahrgenommen werden. An der vorliegenden Studie nahmen junge Erwachsene an einer Nacht mit totalem Schlafentzug und einer Nacht mit acht Stunden Schlafmöglichkeit teil. Am Morgen nach jeder Nacht wurde mit einem Eye-Tracker die Zeit gemessen, die die Teilnehmer mit der Fixierung von Bildern glücklicher, wütender, ängstlicher und neutraler Gesichter verbrachten. Es zeigte sich, dass nach dem Schlafverlust die Teilnehmer mehr Mühe hatten, die Gesichter zu fixieren als nach dem Schlaf. Wenn also nach akutem Schlafverlust weniger Zeit damit verbracht wird, Gesichter zu fixieren, kann dies mit verschiedenen Problemen für soziale Interaktionen einhergehen, etwa einer ungenauen und verzögerten Beurteilung des emotionalen Zustands anderer Menschen. Schlafmangel ist offenbar mit negativeren sozialen Eindrücken verknüpft ist, d. h., wer selber unausgeschlafen ist, der sieht seine Mitmenschen demnach in einem eher schlechteren Licht. Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass Schlafmangel die Reaktion der Amygdala verändert. Darüber hinaus können negativere soziale Eindrücke von anderen auch zu sozialem Rückzug bei Menschen mit Schlafentzug führen, dass diese auch weniger motiviert sind, mit anderen zu interagieren.

    Schlafmangel und kindliches Gehirn

    Obwohl zahlreiche Experten für 6- bis 12-Jährige mindestens 9 Stunden Schlaf pro Tag empfehlen, geben Kinder der letzten Generationen häufig an, weniger als diese Menge zu schlafen. Da die frühe Adoleszenz ein entscheidender Zeitraum für die neurokognitive Entwicklung ist, haben Yang et al. (2022) untersucht, wie sich unzureichender Schlaf über einen Zeitraum von zwei Jahren auf die psychische Gesundheit, die Kognition, die Gehirnfunktion und die Gehirnstruktur von Kindern auswirkt. Alle Kinder wurden zu Beginn und zwei Jahre später psychologisch und medizinisch untersucht bzw. Tests für ihre kognitive Leistungsfähigkeit eingesetzt. Außerdem untersuchte man zu Studienbeginn und nach zwei Jahren die Gehirnanatomie und Gehirnfunktionen der Kinder mittels funktioneller Magnetresonanz-Tomografie. Für die Auswertung wurden Kinder mit und ohne genügend Schlaf jeweils paarweise so verglichen, dass Hintergrund und Lebensumstände möglichst ähnlich waren. Es zeigte sich, dass Kinder, die weniger als neun Stunden pro Nacht schlafen, weniger graue Hirnsubstanz in Hirnarealen für Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Gedächtnis besitzen. Zudem neigten sie eher zu Verhaltensauffälligkeiten und kognitiven Defiziten, wobei diese Unterschiede auch zwei Jahre später noch nachweisbar waren.

    Hunger nach fettreicher Kost

    Bhutani et al. (2019) haben untersucht, warum Menschen nach einer schlaflosen Nacht Hunger auf fettreiche und kalorienreiche Lebensmittel haben. Frühere Untersuchungen haben schon gezeigt, dass der Mangel an Schlaf bestimmte Endocannabinoide erhöht, die auf natürliche Weise vom Körper produziert werden und für das Ernährungsverhalten wichtig sind. Schlafentzug hat demnach deutliche Auswirkungen auf die Nahrungsaufnahme und verlagert die Nahrungsauswahl in Richtung energieintensiver Optionen. Die Auswertungen eines Experiments zeigten auch, dass ein Teil des Riechsystems bei übermüdeten Menschen deutlich stärker auf Essens- als auf nicht Nicht-Essensdüfte reagierte. Das liegt daran, dass Schlafmangel das Endocannabinoid-System des Nervensystems beeinfluss, sodass in der Folge die Kommunikation zwischen Insula und piriformem Cortex weniger gut funktioniert und Menschen vermehrt zu Kalorien- und fettreichem Essen greifen. Die Studie zeigt damit deutlich, dass Schlafmangel das Endocannabinoid-System des Nervensystems beeinflusst, da der Informationsaustausch zwischen dem piriformem Cortex und der Insula gestört wird. Ähnliche Prozesse könnten dabei auch bei anderen Erscheinungen des Essverhaltens relevant sein, sodass man sich durch ein besseres Verständis des Endocannabinoid-Systems neue Behandlungsmöglichkeiten für Fettleibigkeit erhofft.

    Der Schock eines Weckers, der Menschen in die Realität zurückholt, lässt Menschen vergessen, welche Bilder und Ereignisse sie nur wenige Augenblicke zuvor im Kopf hatten, d. h., der beste Weg, sich an Träume zu erinnern, ist langsam aufzuwachen, über Minuten liegen zu bleiben und einfach loszulassen. Schlafstörungen bieten daher beste Voraussetzung dafür, sich an seine Träume zu erinnern, denn die Ursache dafür, dass sich manche Menschen häufig an ihre Träume erinnern und andere nur selten, liegt vermutlich genau daran, dass jene, die sich gut erinnern können, sensibler auf von außen kommende Reize reagieren und  daher in der Nacht häufiger sanft aufwachen, was eine Voraussetzung dafür ist, sich überhaupt an Träume zu erinnern. Diese Zeit des kurzen Aufwachens benötigt das menschliche Gehirn, die Träume so weit zu memorieren, dass sie im Gedächtnis abgelegt werden können. Allerdings kann man sich an diese am nächsten Morgen nicht mehr erinnern, denn diese Phasen sind kurz, diese Traumerlebnisse anzureichern, und was nicht gespeichert ist, lässt sich auch nicht abrufen. Neurowissenschaftler vermuten, dass die Neigung für nächtliche Wach- und Speicherphasen dabei vom Ausmaß der Aktivität im medialen präfrontalen Cortex und in einem Knotenpunkt zwischen Temporal- und Parietallappen abhängt, denn diese Areale verarbeiten die von außen kommenden Reize (Eichenlaub et al., 2014). Siehe dazu im Detail: Erinnerung an Träume

    Siehe dazu Schlafstörungen



    Literatur

    Bhutani, Surabhi, Howard, James D., Reynolds, Rachel, Zee, Phyllis C, Gottfried, Jay,Kahnt, Thorsten, Verstynen, Timothy, Büchel, Christian, Verstynen, Timothy & Sobel, Noam (2019). Olfactory connectivity mediates sleep-dependent food choices in humans. eLife, doi:10.7554/eLife.49053.
    van Egmond, L.T., Meth, E.M.S., Bukhari, S., Engström, J., Ilemosoglou, M., Keller, J. A., Zhou, S., Schiöth, H.B. & Benedict, C. (2022). How Sleep-Deprived People See and Evalu,ate Others’ Faces: An Experimental Study. Nature and Science of Sleep, doi:10.2147/NSS.S360433
    Eichenlaub, Jean-Baptiste, Nicolas, Alain, Daltrozzo, Jerome, Redoute, Jerome, Costes, Nicolas & Ruby, Perrine (2014). Resting Brain Activity Varies with Dream Recall Frequency Between Subjects. Neuropsychopharmacology.  doi: 10.1038/npp.2014.6.
    Stangl, W. (2022, 4. August). Schlafmangel und kindliches Gehirn. Stangl notiert …
    https:// notiert.stangl-taller.at/gehirnforschung/schlafmangel-und-kindliches-gehirn/
    Yang, Fan Nils, Xie, Weizhen & Wang, Ze (). Effects of sleep duration on neurocognitive development in early adolescents in the USA: a propensity score matched, longitudinal, observational study. The Lancet Child & Adolescent Health, doi:10.1016/S2352-4642(22)00188-2.


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