Die Fähigkeit, ein Gedächtnis zu bilden, ist eine wesentliche Eigenschaft, die das Lernen und die Anhäufung von Wissen ermöglicht, wobei die Suche nach dem neuronalen Substrat, das das Gedächtnis im Gehirn bildet, hat eine lange Geschichte hat, und es zeichnet sich ab, dass Ensembles von Engrammzellen erklären, wie Erinnerungen gebildet und abgerufen werden. Der Abruf von Erinnerungen beinhaltet die Interaktion zwischen externen sensorischen oder intern erzeugten Hinweisen und gespeicherten Gedächtnisspuren (Engrammen) in einem Prozess, der als Ekphorieren bezeichnet wird. Während die Ekphorie in der Forschung der kognitiven Neurowissenschaften beim Menschen untersucht wurde, ist ihre neurobiologische Grundlage weniger bekannt. In dem Maße, in dem Ekphorie die Wiedererweckung von Engrammen beinhaltet, bietet die Nutzung kürzlich entwickelter Technologien, die Engramme in Nagetieren identifizieren und manipulieren können, einen fruchtbaren Weg zur Untersuchung des Abrufs auf der Ebene neuronaler Ensembles. Josselyn & Tonegawa (2020) haben die aufkommende neurowissenschaftliche Forschung dieser Art bewertet und verwenden die kognitive Theorie als Leitprinzip, um erste Ergebnisse zu organisieren und zu interpretieren. Die Ergebnisse unterstreichen die kritische Interaktion zwischen Engrammen und Abrufhinweisen aus der Umgebung oder künstlich für den Zugang zum Gedächtnis und den Abruferfolg. Diese Ergebnisse verdeutlichen auch die enge Beziehung zwischen den Mechanismen, die für die Bildung von Engrammen wichtig sind, und denjenigen, die für ihre Wiederherstellung wichtig sind, wie sie im kognitiven Begriff der Enkodierungsspezifität zusammengefasst sind.
Die korrekte Speicherung vergangener Erfahrungen in dauerhafte Erinnerungen ist von grundlegender Bedeutung, um aus diesen Erlebnissen zu lernen und in der Zukunft nützliche und richtige Entscheidungen zu treffen. Es gibt eindeutige Hinweise darauf, dass zumindest einige Formen des Gedächtnisses in Engrammen gespeichert werden, d. h., in langanhaltende Veränderungen der neuronalen Struktur und der Konnektivität zwischen Nervenzellen in bestimmten Hirnregionen. Nun konnte man am Mausmodell zeigen, dass Zellen, die durch Erfahrungen wie beispielsweise Angst deutlich aktiviert werden, diese Informationen in Engrammen abspeichern und stabile Erinnerungen bilden. Die experimentelle Inaktivierung solcher Neuronen, die Teil des Engramms sind, veränderte das Angstgedächtnis von Mäusen und lieferte damit den Beweis, dass die Kodierung von Erinnerungen in Engrammen bei bestimmten Formen des Lernens und des Gedächtnisses eine entscheidende Rolle spielt.
Siehe dazu auch Angstbesetzte Gedächtnisinhalte sind bei Mäusen über das ganze Gehirn verstreut.
Übrigens: In der Neurowissenschaft wurde früher vermutet, dass Erinnerungen innerhalb der Engrammzellen gespeichert werden, doch neue Studien zeigen, dass dies eher im Raum zwischen den Zellen als innerhalb der Zellen selbst stattfindet. Diese neuen Erkenntnisse verschieben den Fokus von der isolierten Betrachtung einzelner Zellen hin zum komplexen Zusammenspiel innerhalb des neuronalen Netzwerks, wodurch die Rolle der Engrammzellen neu definiert wird, d. h., es ist nicht das Engramm, das in der Zelle liegt, sondern vielmehr die Zelle, die Teil des Engramms ist.
Literatur
Frankland, Paul W., Josselyn, Sheena A. & Köhler, Stefan (2019). The neurobiological foundation of memory retrieval. Nature Neuroscience, 22, 1576-1585.
Josselyn, Sheena A. & Tonegawa, Susumu (2020). Memory engrams: Recalling the past and imagining the future. Science, 367, doi:10.1126/science.aaw4325.
https://www.news.uzh.ch/de/articles/news/2023/Koetser-Preis.html (23-09-19)
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