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Ist Lernen ohne zentrales Nervensystem im Sinne eines Gehirns möglich?

Die Fähigkeit, zu lernen und Erinnerungen zu bilden, ermöglicht es Tieren, ihr Verhalten auf der Grundlage früherer Erfahrungen anzupassen. Assoziatives Lernen, der Prozess, durch den Organismen etwas über die Beziehung zwischen zwei verschiedenen Ereignissen lernen, ist bei verschiedenen Tierarten eingehend untersucht worden. Die Existenz von assoziativem Lernen vor dem Auftreten zentraler Nervensysteme bei bilateralen Tieren ist jedoch nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Die ersten Vorfahren aller Tiere, die ein Gehirn haben, lebten vor rund 560 Millionen Jahren, doch solche mit einem Nervennetz gab es schon 100 bis 150 Millionen Jahre früher.
Nesseltiere wie Seeanemonen oder Quallen verfügen über ein Nervennetz, das nicht zentralisiert ist, sodass Botton-Amiot et al. (2023) die Fähigkeit der Sternchen-Seeanemone Nematostella vectensis, assoziative Erinnerungen zu bilden, untersuchten, indem sie einen klassischen Konditionierungsansatz verwendeten. Sie entwickelten ein Protokoll, bei dem Licht als konditionierter Reiz mit einem Elektroschock als aversivem unkonditioniertem Reiz kombiniert wurde. Nach wiederholtem Training zeigten die Tiere eine konditionierte Reaktion auf Licht allein, was darauf hindeutet, dass sie die Assoziation gelernt haben. Im Gegensatz dazu bildeten alle Kontrollbedingungen keine assoziativen Erinnerungen aus. Diese Ergebnisse beleuchten nicht nur einen Aspekt des Verhaltens von Nesseltieren, sondern belegen auch, dass assoziatives Lernen bereits vor dem Auftreten der eines zentralen Nervensystems bei den Metazoen stattfand. Wie genau die Tiere ohne Gehirn lernen, ist aber noch nicht klar, d. h., wie der Lernprozess bei Tieren mit scheinbar einfachem Nervennetz organisiert ist. Man geht derzeit aber davon aus, dass sich auch bei ihnen gewisse Synapsen verstärken.



Literatur

Botton-Amiot, Gaelle, Martinez, Pedro & Sprecher, Simon G. (2023). Associative learning in the cnidarian Nematostella vectensis. Proceedings of the National Academy of Sciences, 120, doi:10.1073/pnas.2220685120.
https://www.unifr.ch/news/de/28767 (23-03-21)


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Ein Gedanke zu „Ist Lernen ohne zentrales Nervensystem im Sinne eines Gehirns möglich?“

  1. Quallen können durch die Kombination und richtige Interpretation visueller und mechanischer Reize Erfahrungen machen und ihr Verhalten entsprechend korrigieren. „Es ist erstaunlich, wie schnell diese Tiere lernen,“ sagt Forscher und Mitautor Anders Garm. „Ungefähr im gleichen Tempo wie höher entwickelte Tiere.“ (…) „Selbst das einfachste Nervensystem scheint in der Lage zu sein, fortgeschrittenes Lernen zu betreiben“, sagt der Forscher. Es könnte sich also durchaus herausstellen, dass dies ein fundamentaler zellulärer Mechanismus ist, der zu Beginn der Evolution des Nervensystems erfunden wurde. Vielleicht also sogar zu einer Zeit, als es Quallen noch gar nicht gab.
    Quelle: https://www.geo.de/wissen/forschung-und-technik/quallen-zeigen–lernen-ohne-gehirn-ist-moeglich-33844858.html

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