*** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Im deutschsprachigen Raum wird neben dem Begriff „Legasthenie„ wird häufig die Bezeichnung „Lese-Rechtschreib-Störung“ verwendet, während sich im angloamerikanischen Raum bevorzugt Konzepte wie „dyslexia“ oder „reading disorders“ finden. Bei dieser Störung besteht eine Diskrepanz zwischen einer normalen bis überdurchschnittlichen Intelligenz und einer weit unterdurchschnittlichen Lese-Rechtschreibleistung, was als Indikator einer Teilleistungsschwäche angesehen wird, die sich nur im Lese-Rechtschreibbereich äußert. Von Legasthenikern werden Kinder mit allgemeiner Lese-Rechtschreibschwäche abgegrenzt, bei denen eine defizitäre intellektuelle Grundausstattung oder schlechte Lernbedingungen für die Probleme im Schriftspracherwerb verantwortlich sind. Für diese Gruppe von Kindern wird auch in anderen Fächern mit schwachen Leistungen gerechnet. Bei Legasthenikern erwartet man hingegen, dass sie in der Regel in allen anderen Schulfächern gute bis sehr gute Leistungen erbringen, und sich der Leistungsausfall speziell beim Lesen- und Schreibenlernen zeigt.
Zumeist wird die Störung in den ersten Grundschuljahren deutlich erkennbar, vor allem wenn der Leselehrplan beendet wurde zeigen sich bei den betroffenen Kindern noch immer Schwierigkeiten, gesprochenen Lauten die richtigen Buchstaben zuzuordnen. Auch das spiegelbildliche Schreiben einiger Buchstaben oder das häufige Vertauschen der Buchstaben beim Lesen und Schreiben sind Hinweise auf eine vorliegende Lese-Rechtschreibschwäche sein. Begleitende Erscheinungen sind manchmal Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, sodass nicht selten zusätzlich neben einer Lese-Rechtschreibschwäche ein Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom diagnostiziert wird. Oft ist die Entwicklung der Fein- und Grobmotorik verzögert, sodass eine verkrampfte Schreibhaltung, einhergehend mit einer schwer leserlichen Schrift häufig anzutreffen sind.
Diese Diskrepanzdefinition beruht auf der Annahme, dass die Lese-Rechtschreibschwierigkeiten beim Vorliegen einer Diskrepanz eine andere Ätiologie und einen anderen Verlauf aufweisen und daher andere therapeutischer Maßnahmen notwendig sind als bei fehlender Diskrepanz. Neuerdings wird die Bedeutung dieser Diskrepanz für die Identifikation einer spezifischen Störung jedoch eher bezweifelt, denn der korrelative Zusammenhang zwischen Lese- Rechtschreibleistungen einerseits und der (sprachlichen) Intelligenz andererseits fällt mit Werten von durchschnittlich r = .40 bis .50 in der Regel keineswegs sehr eng aus. Bei Beziehungen in dieser Ausprägung ist es durchaus normal, dass Kinder mit durchschnittlicher bis überdurchschnittlicher Intelligenz auch Rückstände im Lesen und/oder Rechtschreiben aufweisen. Probleme im Schriftsprachbereich schon zu Beginn der Grundschulzeit haben natürlich auch Auswirkungen auf das Verständnis mathematischer Probleme, denn etwa bei Textaufgaben ist eine gute Lesefähigkeit Voraussetzung. Die unterschiedliche gute Therapierbarkeit ist daher ebenfalls anzweifelbar.
Legasthenie wird häufig mit einer gestörten Verarbeitung von gesprochener Sprache, also mit Veränderungen der Großhirnrinde in Verbindung gebracht, doch neuere Erkenntnisse deuten eher auch auf Funktionsstörungen des sensorischen Thalamus hin, denn Legastheniker zeigen während der Sprachverarbeitung im Gegensatz zu neurotypischen Lesern reduzierte Antworten im linken auditorischen Thalamus. Menschen mit einer Lese-Rechtschreibschwäche wiesen demnach weniger Verbindungen zwischen dem auditorischen Thalamus und dem Planum Temporale auf, einem Areal in der Gehirnrinde, das für das Hören von Sprachlauten zuständig ist.
In einer Studie von Tschentscher et al. (2019) wurden bei Menschen mit Legasthenie und einer Kontrollgruppe Verhaltenstests durchgeführt und kernspintomographische Aufnahmen des Gehirns gemacht, wobei mit speziellen Analyseverfahren aus den kernspintomografischen Aufnahmen die Faserverbindungen zwischen dem auditorischen Thalamus und dem Planum Temporale rekonstruiert wurden. Bei den Menschen mit Legasthenie waren weniger Faserverbindungen zwischen auditorischem Thalamus und Planum temporale in der linken Gehirnhälfte vorhanden als bei der Kontrollgruppe. Im Vergleich dazu, war die Verbindung zwischen auditorischem Thalamus und Planum Temporale besonders stark bei den Menschen der Kontrollgruppe, die sehr schnell und gut im Lesetest waren. Das deutet darauf hin, dass die neuronalen Funktionen schon vor der Großhirnrinde weniger stark entwickelt sind, was für die zukünftige Forschung bedeutet, sich auf bisher weniger beachtete Gehirn Areale zu fokussieren.
Literatur
Schneider, Wolfgang & Marx, Peter (2008). Früherkennung und Prävention von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten (S. 237-238). In Franz Petermann & Wolfgang Schneider (Hrsg.), Enzyklopädie der Psychologie Bd.7: Angewandte Entwicklungspsychologie. Göttingen: Hogrefe.
Tschentscher, Nadja,- Ruisinger, Anja, Blank, Helen, Díaz, Begoña & von Kriegstein, Katharina (2019). Reduced Structural Connectivity Between Left Auditory Thalamus and the Motion-Sensitive Planum Temporale in Developmental Dyslexia. The Journal of Neuroscience, 39, 1720-1732.
Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl ::: Pädagogische Neuigkeiten für Psychologen :::