Lange Zeit galt in der Lernforschung die Annahme, dass kurze Pausen während des Übens motorischer Fertigkeiten dem Gehirn ermöglichen, Bewegungsabfolgen im Hintergrund weiter zu verarbeiten und so das Lernen zu fördern. Das et al. (2025) ließen in fünf kontrollierten Experimenten Probanden bestimmte Sequenzen von Fingerbewegungen einüben, teils mit und teils ohne kurze Pausen. Zunächst zeigte sich, dass die Gruppe mit Pausen während des Trainings etwas besser abschnitt, d. h., sie führte die Bewegungen nach jeder Unterbrechung präziser und schneller aus. Dieser Vorteil verschwand jedoch rasch, sobald die Übungsbedingungen angeglichen wurden. Beide Gruppen erreichten letztlich das gleiche Leistungsniveau, was darauf hindeutet, dass die Pausen keinen langfristigen Lerneffekt erzeugen. Diese kurzfristigen Verbesserungen kommen nach Ansicht der Forscherinnen vermutlich durch Erholung und durch das bewusste Vorausplanen der nächsten Bewegungsschritte zustande. Wenn den Teilnehmenden das Vorausplanen nach einer Pause unmöglich gemacht wurde, fiel der Leistungsschub deutlich geringer aus – ein Hinweis darauf, dass die positiven Effekte der Pausen nicht aus unbewusster Konsolidierung, sondern aus mentaler Vorbereitung entstehen.
Das et al. (2025) sprechen in diesem Zusammenhang von Micro-offline gains (MOGs), also Mikroverbesserungen, die während kurzer Ruhephasen auftreten. Frühere Studien hatten diese als Zeichen einer besonders schnellen Konsolidierung motorischer Erinnerungen interpretiert, etwa durch neuronales Wiederholen („replay“) der Bewegungen im Ruhezustand. Diese neuen Ergebnisse zeigen jedoch, dass diese Mikrogewinne keine echte Festigung von Gedächtnisinhalten widerspiegeln, sondern lediglich momentane Leistungssteigerungen darstellen, die sich aus der Kombination von Entlastung, Konzentration und Bewegungsplanung ergeben.
Diese Erkenntnisse haben vermutlich weitreichende Folgen für pädagogische, sportliche und therapeutische Kontexte, indem zwar Pausen ein wichtiger Bestandteil des Lernens bleiben, weil sie Energie und Aufmerksamkeit zurückbringen, doch beschleunigen sie den Erwerb motorischer Fertigkeiten nicht von selbst. Pausen sollten daher nicht als magische Lernverstärker, sondern als notwendige Erholungsphasen verstanden werden. Besonders relevant ist die Neubewertung der bisherigen Forschung für medizinische Anwendungsfelder, etwa bei der Behandlung von Parkinson oder Gedächtnisstörungen, wo Pausen bisher häufig im Sinne automatischer Lernprozesse interpretiert wurden. Insgesamt verdeutlicht die Studie, dass effektives Lernen keine passive Tätigkeit ist, die im Stillen fortgesetzt wird, sondern ein aktiver, bewusster Vorgang, der sich vor allem während der Übung selbst vollzieht.
Literatur
Das, A., Karagiorgis, A., Diedrichsen, J., Stenner, M.-P., & Azañón, E. (2025). Micro-offline gains do not reflect offline learning during early motor skill acquisition in humans. Proceedings of the National Academy of Sciences, 122(44), doi.:10.1073/pnas.2509233122
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