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Dreidimensionales Modell eines Mausgehirns

    Wissenschaftler des MICrONS-Projekts (Machine Intelligence from Cortical Networks) haben das bislang detailreichste dreidimensionale Modell eines Säugetiergehirns erstellt. Grundlage war ein winziges Gewebeareal aus der primären Sehrinde (visueller Cortex) einer Maus, das lediglich der Größe eines Sandkorns entspricht – einem Kubikmillimeter. Trotz der geringen Größe enthält dieses Gewebestück etwa 200.000 Zellen, davon ca. 84.000 Neuronen, sowie mehr als 523 Millionen synaptische Verbindungen, die sich über rund 5,4 Kilometer verzweigen.

    Das Besondere an dieser Arbeit ist die Kombination von funktionellen und strukturellen Daten. Während das Mausgehirn mit Hilfe von Fluoreszenztechnologie in vivo (also im lebenden Tier) auf neuronale Aktivität hin untersucht wurde – etwa bei der Betrachtung von Filmszenen – wurde dasselbe Gewebe anschließend per Elektronenmikroskopie im Allen Institute for Brain Science hochauflösend abgebildet. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen rekonstruierte ein Team der Princeton University die komplexen neuronalen Netzwerke in 3D.

    Diese umfassende Datenerhebung ermöglicht es Forschenden, nicht nur die anatomischen Verbindungen, sondern auch deren funktionelle Bedeutung zu analysieren. Das bedeutet: Es wird erstmals auf breiter Ebene sichtbar, wie neuronale Aktivität durch konkrete Verschaltungen beeinflusst wird – ein entscheidender Schritt in Richtung eines tieferen Verständnisses des Gehirns und seiner Krankheiten.

    Ein zentraler Fokus der Studie lag auf sogenannten inhibitorischen Neuronen, die andere Nervenzellen hemmen, im Gegensatz zu exzitatorischen Zellen, die aktivierend wirken. Es stellte sich heraus, dass inhibitorische Neuronen weit selektiver verschalten sind als bisher angenommen. Sie verbinden sich gezielt mit bestimmten Zelltypen und unterteilen sich darüber hinaus in deutlich differenziertere Unterklassen als bislang bekannt.

    Diese Entdeckungen geben neue Hinweise darauf, wie kognitive Prozesse wie Wahrnehmung oder Entscheidungsfindung organisiert sind. Außerdem lassen sich Rückschlüsse auf neurologische und psychiatrische Erkrankungen wie Alzheimer, Autismus oder Schizophrenie ziehen, bei denen vermutlich subtile Störungen in der neuronalen Verschaltung eine Rolle spielen. Die Ergebnisse des Projekts gelten als Meilenstein der modernen Neurowissenschaft und könnten langfristig auch maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz inspirieren.



    Literatur

    Bae, J. A., Baptiste, M., Baptiste, M. R., Bishop, C. A., Bodor, A. L., Brittain, D., Brooks, V., Buchanan, J., Bumbarger, D. J., Castro, M. A., Celii, B., Cobos, E., Collman, F., da Costa, N. M., Danskin, B., Dorkenwald, S., Elabbady, L., Fahey, P. G., Fliss, T., Froudarakis, E., … MICrONS Consortium. (2025). Functional connectomics spanning multiple areas of mouse visual cortex. Nature, 640, 435–447.


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