Die Vater-Tochter-Beziehungen sind meist weniger aggressiv besetzt als Vater-Sohn-Beziehungen, denn Väter stellen an Töchter geringere Anforderungen und haben ihnen gegenüber mehr Geduld. Väter ermutigen ihre Töchter bei Herausforderungen und fördern ihre Selbstständigkeit, wobei sie z. B. auch anders mit ihnen spielen, mehr mit ihnen herumbalgen und ihnen mehr zutrauen als deren Mütter. Sie befriedigen mit der Tochter häufig eigene narzisstische Bedürfnisse, wobei Töchter lange an der Idealisierung des Vaters festhalten, seine Nähe suchen und sich schwerer von ihm als Söhne ablösen können. Väter beeinflussen also ihre Töchter tendenziell stärker als ihre Söhne, sodass eine gute Beziehung von Vater und Tochter besonders stark mit deren Selbstwertgefühl und ihrem späteren beruflichen Erfolg verbunden ist.
Väter genießen oft diese Idealisierungen und laufen Gefahr, die Töchter durch übermäßige emotionale Zuwendung an sich zu binden. Vater und Tochter stehen jedoch vor der Entwicklungsaufgabe, die Ablösung zu bewältigen, damit die Tochter zu ihrer Autonomie kommen kann, was erleichtert wird, wenn sich die Tochter mit der Mutter identifizieren kann. Die Bedeutung der Vater-Tochter-Beziehung wird von Julia Onken in die „Vatermänner“ eindrücklich geschildert, denn sie beschreibt in diesem Zusammenhang plakativ drei Tochter-Typen: Die Gefalltochter, die Leistungstochter und die Trotztochter. Alle drei haben das gleiche Ziel, nämlich die Aufmerksamkeit und die Liebe des Vaters zu erreichen. Dennoch verfügen Männer und Frauen letztlich über dieselben Kompetenzen in der Erziehung, wobei es vor allem darum geht, die Tochter in der Erziehung mit männlich konnotierten Eigenschaften zu konfrontieren.
Väter haben auch einen besonders großen Einfluss auf die Berufswahl ihrer Töchter – weniger auf die Söhne -, wobei es nicht unbedingt darauf ankommt, welchen konkreten Beruf der Vater selbst ausübt. Vor allem sein allgemeines Verhalten spielt eine bedeutende Rolle, also wenn Väter etwa eine gleichwertigere Aufteilung der Haushaltsaufgaben praktizieren, zeigen vor allem Töchter ein größeres Interesse an einer Tätigkeit außer Haus und an einem weniger stereotypen Frauenberuf. Nach Croft et al. (2014) sagten die impliziten Geschlechterrollenassoziationen der Väter die beruflichen Präferenzen der Töchter nicht aber die der Söhne voraus.
Literatur
Croft, Alyssa, Schmader, Toni, Block, Katharina & Baron, Andrew (2014). The Second Shift Reflected in the Second Generation: Do Parents‘ Gender Roles at Home Predict Children’s Aspirations?Psychological science, 25, doi: 10.1177/0956797614533968.
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