Die Frage, ob die Nutzung sozialer Netzwerke depressive Tendenzen hervorrufen kann, wurde bisher widersprüchlich beantwortet. Ozimek & Bierhoff (2019) haben eine experimentelle und zwei Fragebogenstudien durchgeführt, um zu untersuchen, ob die Nutzung sozialer Netzwerke depressive Tendenzen hervorrufen kann. In der ersten Studie ließen sie zwei Gruppen von Versuchspersonen fünf Minuten lang entweder auf ihrer Facebook-Pinnwand oder auf der Mitarbeiterwebseite der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum Informationen über die ersten fünf Personen herausschreiben, die sie sahen, die dritte Gruppe übersprang diese Aufgabe. Alle drei Gruppen füllten danach einen Fragebogen aus, der über ihr Selbstwertgefühl Auskunft gab. Es hat sich dabei gezeigt, dass die Konfrontation mit sozialen Informationen im Internet, die sowohl auf Facebook als auch auf Mitarbeiterseiten selektiv und nur positiv und vorteilhaft sind, zu einem geringeren Selbstwertgefühl führen. Da ein niedriges Selbstwertgefühl eng mit depressiven Symptomen zusammenhängt, kann man schon in dieser kurzfristigen Auswirkung eine mögliche Gefahrenquelle sehen.
Die langfristige Perspektive untersuchten man in einer Befragung von achthundert Probanden zu ihrer Facebook-Nutzung, zu ihrer Tendenz, sich mit anderen vergleichen zu wollen, zu ihrem Selbstwertgefühl und zum Auftreten depressiver Symptome. Dabei zeigte sich, dass es dann einen positiven Zusammenhang zwischen vor allem passiver Facebook-Nutzung und depressiven Symptomen gibt, wenn Probanden ein verstärktes Bedürfnis nach sozialen Vergleichen ihrer Fähigkeiten haben. Wenn man also ein starkes Bedürfnis nach Vergleichen hat und im Internet immer wieder auf der Startseite sieht, dass andere tolle Urlaube haben, tolle Abschlüsse machen, sich teure und tolle Dinge kaufen, während man selber aus seinem Büro das trübe Wetter draußen sieht, senkt das den Selbstwert. Hinzu kommt, dass wenn man dies Tag für Tag und immer wieder erlebt, kann das langfristig höhere depressive Tendenzen begünstigen.
Ein Überprüfung dieser Effekte auf Xing, einem professionellen Netzwerk ergab ein sehr ähnliches Ergebnis wie die Facebookstudie. Insgesamt konnte gezeigt werden, dass nicht die Nutzung sozialer Netzwerke generell und unmittelbar zu Depressionen führt oder mit ihnen im Zusammenhang steht, sondern dass gewisse Voraussetzungen und eine bestimmte Art der Nutzung das Risiko für depressive Tendenzen erhöhen. Private wie professionelle soziale Netze können höhere Depressionswerte begünstigen, wenn Nutzer hauptsächlich passiv unterwegs sind, sich mit anderen sozial vergleichen und diese Vergleiche den Selbstwert negativ beeinflussen. Man muss allerdings berücksichtigen, dass nur die wenigsten Menschen auch negative Erlebnisse und Erfahrungen in sozialen Medien posten, wodurch der Eindruck entsteht, dass man mit diesen positiven Erlebnissen im Netz überflutet wird.
Insgesamt konnte gezeigt werden, dass nicht die Nutzung sozialer Netzwerke generell und unmittelbar zu Depressionen führt oder mit ihnen im Zusammenhang steht, sondern dass gewisse Voraussetzungen und eine bestimmte Art der Nutzung das Risiko für depressive Tendenzen erhöhen. Private wie professionelle soziale Netze können höhere Depressionswerte begünstigen, wenn NutzerInnen hauptsächlich passiv unterwegs sind, sich mit anderen sozial vergleichen und diese Vergleiche den Selbstwert negativ beeinflussen. Wichtig dabei ist, dass dieser Eindruck, dass es alle besser haben, ein absoluter Trugschluss sein kann, denn tatsächlich posten nur die wenigsten Menschen auch negative Erlebnisse und Erfahrungen in sozialen Medien. Dadurch, dass wir mit diesen positiven Erlebnissen im Netz überflutet werden, gewinnt man jedoch einen ganz anderen Eindruck.
Literatur
Ozimek, Phillip & Bierhoff, Hans-Werner (2019). All my online-friends are better than me – three studies about ability-based comparative social media use, self-esteem, and depressive tendencies. Journal Behaviour & Information Technology, doi:10.1080/0144929X.
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