*** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Es gibt nur wenige Anhaltspunkte dafür, dass Einzelkinder typische Persönlichkeitsmerkmale ausbilden, hinsichtlich derer sie sich von Geschwisterkindern unterscheiden. Das Einzelkinddasein erweist sich dann als Risikofaktor, wenn z.B. Eltern ihr einziges Kind zu sehr mit Wünschen, Ansprüchen, Forderungen und Förderungen überfrachten, wenn sie nicht loslassen können und es überbehüten und nicht angemessen abnabeln, aber auch Eltern, die sich gefühlsmäßig wenig engagieren, distanziert bleiben und kaum Anteil nehmen am Wohl ihres Kindes, weil ihnen die Partnerschaft oder der Beruf wichtiger sind, erweisen sich als gewisser Risikofaktor, der jedoch in Mehrkinderfamilien ebenso zu registrieren ist.
Das bedeutet aber nicht, dass sich im Einzelfall die Tatsache als Einzelkind – z.B. mit einer überbehütenden, grenzüberschreitenden Mutter aufzuwachsen – nicht schicksalhaft auswirken kann. Dies ist jedoch nicht typisch für eine größere Gruppe von Einzelkindern und lässt sich allenfalls übertragen auf andere, ähnlich beschaffene Einzelfälle. Es gibt auch keine wissenschaftlich fundierte Berechtigung dafür, Einzelkinder in einer Gruppe zusammenzufassen und mit Geschwisterkindern zu vergleichen. Einzelkinder wachsen unter Bedingungen auf, die denen von Geschwisterkindern weitgehend entsprechen, denn es führt z.B. das Aufwachsen mit nur einem Elternteil bzw. die Berufstätigkeit beider Eltern zu vergleichbaren Effekten gleichgültig, ob ein Kind ein Geschwister hat oder keines. Entscheidend für die Persönlichkeitsentwicklung sind die tagtäglichen Erziehungs- und Sozialisationserfahrungen, mit denen es Einzelkinder und Geschwisterkinder zu tun haben, sowie die Art und Weise, wie diese subjektiv wahrgenommen und verarbeitet werden.
*** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Ob Menschen als Einzelkinder oder mit Geschwistern aufwachsen, kann übrigens auch die Entwicklung des Gehirns beeinflussen, wobei die Familiensituationen eine unterschiedliche strukturelle Entwicklung des kindlichen Gehirns bewirken können. Untersucht (Yang et al., 2017) wurden Studenten, die in einer Familie mit zwei Elternteilen aufgewachsen waren, wobei diese neben Gehirnscans auch Kreativitäts- und Intelligenztest und Persönlichkeitstest durchführen mussten. Es zeigten sich bei Volumenunterschiede der grauen Substanz im Gehirn, wobei diese bei Einzelkindern in jenem Bereich ausgeprägter war, der mit der Vorstellungskraft zusammenhängt, jedoch war sie schlechter in den Arealen entwickelt, der mit sozialem Verhalten in Verbindung steht. Einzelkinder schnitten bei Kreativitätstests besser ab, bei den Verhaltenstests hingegen schlechter.
Siehe dazu die Texte Ich war ein Einzelkind, Plötzlich kein Einzelkind mehr
Literatur
Bertram, H. (Hrsg.) (1991). Die Familie in Westdeutschland – Stabilität und Wandel familialer Lebensformen. Opladen: Leske + Budrich.
Kasten, Hartmut (1995). Einzelkinder – Aufwachsen ohne Geschwister. Berlin: Springer.
Yang, J., Hou, X., Wei, D., Wang, K., , Li, Y. & Qiu, J. (2017). Only-child and non-only-child exhibit differences in creativity and agreeableness: evidence from behavioral and anatomical structural studies. Brain Imaging and Behavior, 11, 493–502.
Zajonc, R.B. & Markus, G.B. (1975). Birth order and intellectual development. Psychological Review, 82, 74-88.
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Obwohl Kinder bei denselben Eltern aufgewachsen sind, sind sie in vielen Fällen sehr verschieden. Das liegt daran, dass sie zwar bei denselben Eltern aufwachsen, aber Eltern behandeln ihre Kinder nie genau gleich. Ein Kind kommt auf die Welt und Eltern bekommen sofort Gefühle, d. h., das Kind ist sympathisch, weil es vielleicht an den eigenen Bruder erinnert oder es gleicht einem selber oder hat ein anderes Geschlecht als erwartet. Eltern sind also nicht neutrale Personen, sondern sie erleben etwas, sie projizieren auch Erwartungen und Gefühle in dieses Kind, und das spüren natürlich die Kinder auch. Ein Kind, das etwa als erstes auf die Welt kommt, entwickelt ja eine Rolle in der Familie, das zweite Kind hat dann schon eine andere Situation, denn es ist schon jemand da, es muss sich also eine andere Rolle suchen. Die Eltern reagieren auch nicht genau gleich, denn sie sind vielleicht, wenn das nächste Kind kommt, auch nicht mehr in der selben Lebensphase, d. h., sie überlegen sich vielleicht, sich zu trennen, oder sie haben sich jetzt beruflich gefunden. Auch hier gibt es etliche Faktoren, die permanent auf das Erleben der Geschwister einwirken und sie unterschiedlich prägen. Es gibt zahlreiche Vorurteile gegenüber Erstgeborenen, Sandwichkindern oder das Nesthäkchen, die nicht generell zutreffen müssen. Natürlich übernehmen die Älteren häufiger die Rolle des Verantwortlichen, allein weil sie einige Jahre älter sind. Die Geschwisterposition stellt aber nur einen Faktor dar und hat nicht dieses Gewicht, dass hierdurch ganz generell bestimmte Verhaltensweisen nahegelegt werden könnten. Es kommt vielmehr auf die Situation an, denn wenn Eltern etwa das ältere Kind wirklich in diese Rolle des Verantwortlichen und Vernünftigen stoßen, dann ist die Frage, ob das ältere Kind diese Rolle auch annimmt, ob es sich dagegen wehrt oder ob das zweite Kind dann eher in diese Rolle hineinkommt. Daneben spielt etwa auch das Geschlecht eine Rolle und wie dieses Geschlecht von den Eltern beurteilt wird. Die Geschwisterposition hat bei weitem nicht mehr diese Bedeutung, die man ihr früher zugeschrieben hat, vielmehr hängt vieles davon ab, wie das Verhältnis innerhalb der Familie ist, etwa ob man fürsorglich miteinander umgeht oder ob es klar definierte Hierarchien gibt.
Zusammengefasst nach einem Interview von Ute Teubner mit dem Psychologen Jürg Frick, der das Buch „Ich mag dich – du nervst mich“ verfasst hat.
Einzelkindern hängt der Ruf nach, dass sie verzogen und egoistisch wären, wobei es 1896 einmal eine Veröffentlichung gab, die dieses Bild stützte. Ebenso gab es Befürchtungen, dass Einzelkinder zu zart besaitet wären, weil ihnen der Konflikt mit Geschwistern fehlt. Allerdings ist aus Sicht der Psychologie ein Einzelkind aber nicht zwangsläufig anders als Kinder mit Geschwistern, denn Statistiken lassen niemals eine Aussage über einzelne Kinder zu. Einzelkinder bedauern häufig, dass sie ohne Geschwister aufgewachsen sind und haben häufiger imaginäre Freunde als andere Kinder, wobei diese eingebildeten Freunde jedoch auch ein Teil der sozialen Entwicklung und Kommunikationsfähigkeit sind. Einzelkinder haben gelegentlich mehr Schwierigkeiten, sich mit anderen Kindern zu arrangieren, was sich mitunter in Sachen Hilfsbereitschaft, Kooperationsfähigkeit, Opferbereitschaft und Mitgefühl auswirken kann. Meist können Einzelkinder aber besser flexibel denken, weil sie sich viel mit sich selbst beschäftigen mussten und daher erfinderischer sind. Insgesamt ist die Eltern-Kind-Beziehung bei Erstgeborenen und bei Einzelkindern ähnlich gut und innig, wobei Nesthäkchen und Sandwichkinder manchmal um mehr Aufmerksamkeit kämpfen müssen. Jedenfalls können die Vorurteile über Einzelkinder nicht gehalten werden, denn Einzelkinder haben Vor- und Nachteile wie alle anderen Geschwisterkonstellationen auch.
Quelle: https://praxistipps.focus.de/einzelkind-das-sagt-die-psychologie-zu-kindern-ohne-geschwister_130504 (21-04-12)