Es ist für das Wohlbefinden und das Selbstwertgefühl eines Menschen entscheidend, dass er Strokes erhält. Strokes sind alle Arten von Zuwendungen, Streicheleinheiten, Aufmerksamkeit oder Anstöße, die jemandem zuteil werden oder die jemand einem anderen Menschen zuteil werden lässt. Wenn Menschen nicht genügend Strokes bekommen, fühlen sie sich unwohl, abgelehnt und minderwertig. Sie reagieren unüberlegt, fühlen sich als Niemand oder Verlierer, sind demotivert oder bekommen sogar schwerwiegende psychische Störungen. Daher ist der Austausch von Strokes von entscheidender Bedeutung für die Beziehungen zwischen den Menschen.
Positive Strokes machen jemanden froh und geben ihm das Gefühl von Gesehen-Werden , Wertschätzung und Bedeutung. Das kann jede Form der positiven Anerkennung, wie Aufmerksamkeit, gewolltes Lob, Dankbarkeit, Freude, Bewunderung oder ganz einfach nur die „Nennung des Namens“, d. h. das Kennen des Namens, sein.
Negative Strokes stimmen dagegen traurig und erzeugen ein Verlierergefühl, wie beispielsweise Kritik, Verachtung, Lächerlichmachen, Enttäuschung, Kummer, Misstrauen, Nicht-Anerkennung bzw. -beachtung einer Leistung oder die oftmals missbräuchlich zitierte Undankbarkeit.
Keine Strokes sind wohl mit das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann. Es entsteht das Gefühl der Isolation (Beziehungsvereinsamung). Für Isolierte ist es zumeist psychisch wertvoller negative Strokes zu erhalten als gar keine. Wird z. B. ein Strafgefangener vor den anderen Sträflingen ausgepeitscht, wird er rein psychisch leichter überleben als wenn er vollkommen isoliert wird. Es hat sich in vielen Untersuchungen gezeigt, dass die meisten Konflikte, die größte Personalfluktuation, die schlechteste Stimmung und die größte Anzahl von Fehltagen in den Betrieben vorkommt, in denen den Menschen keine oder nur geringe Aufmerksamkeit zuteil wird.
Physische Strokes – psychische Strokes
Positive wie auch negative Strokes können sowohl psychischer als auch physischer Art sein.
physisch | psychisch | |
positiv | Kuss, Umarmung, Schulterklopfen | Wertschätzung, Dank,. Lob, anerkennender Blick |
negativ | Hieb, Tritt, Stoß, Ohrfeige | Kritik, Lächerlichmachen, Achselzucken, abwertender Blick |
Übrigens wurden an Mäusen die neuronalen Grundlagen des Streichelns identifiziert, und zwar spezielle Neuronen in der Haut, die gezielt auf zärtliche Berührungen (das Fell wurde mit einem Pinsel gestreichelt) reagieren und bei Aktivierung für Wohlbefinden sorgen (Vrontou et al., 2013). Diese Tasterven bilden Verästelungen in der behaarten Haut und ziehen von dort als dünne Fasern bis ins Rückenmark, wobei sie sich von anderen Nervenzellen unterscheiden, indem sie ein spezielles Sensorprotein produzieren.
Umarmung von Kleinkindern
Yoshida et al. (2020) haben untersucht, wie Säuglingen bzw. Kleinkinder im ersten Lebensjahr während einer Umarmung, eines Haltens und einer engen Umarmung durch die Eltern oder andere Personen reagieren. Für die Studie wurde die Herzfrequenz der Kinder und die Festigkeit der Umarmung mittels Drucksensoren auf der Haut der Erwachsenen gemessen, während diese von ihren Eltern und Fremden wahlweise gehalten oder unterschiedlich stark umarmt wurden. Säuglinge, die älter als vier Monate waren, zeigten während einer Umarmung eine verminderte Herzfrequenz und eine ausgeprägte parasympathische Aktivität. Dabei wirkte vor allem eine mittelfeste Umarmung beruhigend, während eine feste Umarmung hingegen weniger wirksam war. Es zeigte sich auch, dass die Kinder zu lange Umarmungen weniger mögen, denn eine Umarmung von einer Minute oder länger führte fast unvermeidlich zu schlechter Laune bei den ihnen. Bei Kindern, die älter als 124 Tage waren, stellte man außerdem einen Unterschied dabei fest, ob es sich beim Umarmenden um einen Elternteil oder um eine fremde Frau handelte, woraus sich ergibt, dass die perfekte Umarmung demnach eine nicht zu feste von den eigenen Eltern darstellt.
Übrigens: Oxytocin dürfte dabei keine Rolle spielen, denn die Zeitspanne des Umarmungsexperiments war dafür wohl zu kurz.
Plüschtier oder Hund streicheln?
Übrigens: Hunde wollen keine Umarmungen!
Literatur
Marti, Rahel, Petignat, Milena, Marcar, Valentine L., Hattendorf, Jan, Wolf, Martin, Hund-Georgiadis, Margret & Hediger, Karin (2022). Effects of contact with a dog on prefrontal brain activity: A controlled trial. Public Library of Science, 17, doi:10.1371/journal.pone.0274833.
Vrontou, Sophia, Wong, Allan M., Rau, Kristofer, K. H., Koerber, Richard & Anderson, David J. (2013). Genetic identification of C fibres that detect massage-like stroking of hairy skin in vivo, Nature 493, 669–673, (31 January 2013), doi:10.1038/nature11810.
Yoshida, Sachine, Kawahara, Yoshihiro, Sasatani, Takuya, Kiyono, Ken, Kobayashi, Yo & Funato, Hiromasa (2020). Infants Show Physiological Responses Specific to Parental Hugs. iScience, 23, doi:10.1016/j.isci.2020.100996.
http://www.emcl.de/dd_stroking.htm (29-12-07)
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