Eine Studie von Smith et al. (2025) lieferte jüngst neue Erkenntnisse darüber, wie das dopaminerge System menschliche Entscheidungsprozesse beeinflusst, insbesondere die Fähigkeit, auf spätere Belohnungen zu warten. Im Zentrum der Untersuchung stand der Einfluss von L-DOPA, einer Vorstufe des Neurotransmitters Dopamin, auf die sogenannte zeitliche Diskontierung (temporal discounting), also die Tendenz, kleinere sofortige Belohnungen größeren, aber verzögerten vorzuziehen. Frühere Studien hatten widersprüchliche Ergebnisse geliefert, denn während einige auf eine gesteigerte Impulsivität durch dopaminerge Stimulation hindeuteten, berichteten andere von einer erhöhten Geduld. Viele dieser Arbeiten litten jedoch unter kleinen Stichprobenumfängen und unzureichender Kontrolle individueller Unterschiede.
In diese Studie führte man daher eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit 76 gesunden Probandinnen (44 Männer, 32 Frauen) durch, um diese Inkonsistenzen zu klären. Jede Versuchsperson erhielt in unterschiedlichen Sitzungen entweder L-DOPA oder ein Placebo und traf anschließend Entscheidungen zwischen einer kleineren sofortigen oder einer größeren verzögerten Belohnung. Mit Hilfe kognitiver Modellierung und hierarchisch-bayesianischer Schätzverfahren analysierte man, wie Dopamin subtile Mechanismen der Entscheidungsfindung beeinflusst – darunter die Geschwindigkeit, mit der Informationen gesammelt werden, die Vorsicht bei der Reaktion sowie die Bewertung von Belohnungen im Zeitverlauf.
Die Ergebnisse bestätigten zunächst den bekannten Magnitudeneffekt, der bedeutet, dass größere Belohnungen im Vergleich zu kleineren weniger stark über die Zeit abgewertet werden. Entscheidender jedoch war die Beobachtung, dass L-DOPA die Bereitschaft erhöhte, auf spätere Belohnungen zu warten – und damit die Impulsivität im Durchschnitt um rund 20 % verringerte. Dieser moderate, aber robuste Effekt widerspricht älteren Studien, die eher eine Zunahme impulsiver Entscheidungen unter dopaminerger Stimulation beobachtet hatten. Weder die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung noch die Vorsicht der Entscheidungen wurden durch L-DOPA signifikant verändert, was nahelegt, dass die Wirkung des Neurotransmitters weniger in der Veränderung kognitiver Kontrollmechanismen als vielmehr in der veränderten Bewertung zukünftiger Belohnungen liegt.
Interessanterweise zeigte sich zudem, dass vermeintliche Indikatoren des Dopamin-Grundniveaus – wie Arbeitsgedächtniskapazität, spontane Augenblinkfrequenz und Impulsivität – keinen Einfluss auf die individuelle Reaktion auf L-DOPA hatten. Diese Maße wurden bisher häufig als indirekte Marker dopaminerger Aktivität genutzt, doch die Ergebnisse der Studie stellen deren Validität infrage. Man folgert daraus, dass individuelle Unterschiede in der dopaminergen Basisaktivität mit diesen Methoden wahrscheinlich nicht zuverlässig abgebildet werden können. Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass Dopamin eine stabilisierende Funktion in der zeitlichen Bewertung von Belohnungen einnimmt und impulsives Verhalten dämpfen kann. Das könnte künftig insbesondere für klinische Anwendungen von Bedeutung sein, etwa im Hinblick auf Suchterkrankungen oder Verhaltensstörungen, die mit gestörter Dopamin-Signalübertragung und erhöhter Impulsivität einhergehen.
Literatur
Smith, E., Theis, H., van Eimeren, T., Knauth, K., Tuzsus, D., Zhang, L., Mathar, D. & Peters, J. (2025). Dopamine and temporal discounting: Revisiting pharmacology and individual differences. Journal of Neuroscience, doi:10.1523/JNEUROSCI.0786-25.2025
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