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Das System der menschlichen Bedürfnisse – Ursprung, Struktur und Bedeutung

    Das Leben selbst gründet auf Bedürfnissen – sie sind der Motor für Erhaltung, Entwicklung und Anpassung aller Lebewesen. Wie Richard Dawkins beschreibt, liegt im Kern jedes Verhaltens der evolutionäre Drang, Gene zu reproduzieren. Organismen sind demnach Werkzeuge ihrer Gene, deren Überleben und Weitergabe das grundlegende Ziel darstellt. Aus dieser primären Notwendigkeit heraus haben sich im Lauf der Evolution vielfältige Bedürfnisse und Mechanismen entwickelt, die das Überleben des Individuums und der Art sichern.

    Die Regulation dieser Bedürfnisse geschieht über homöostatische Prozesse: Jedes Organ benötigt einen bestimmten biochemischen Gleichgewichtszustand, der zwischen zwei Grenzwerten liegt. Wird dieses Gleichgewicht gestört, aktivieren sich körperliche und geistige Prozesse, um es wiederherzustellen. So löst beispielsweise ein Mangelzustand im Körper Hunger aus, woraufhin das Bewusstsein Handlungen plant und steuert, um Nahrung zu beschaffen. Bedürfnisse fordern also stets eine Veränderung – sei sie innerlich oder äußerlich –, um den optimalen Zustand des Organismus zu bewahren.

    Primäre und sekundäre Bedürfnisse

    Primäre Bedürfnisse sind genetisch festgelegt und dienen unmittelbar der Lebenserhaltung. Sekundäre Bedürfnisse entstehen im Laufe des individuellen Lebens durch Erfahrung, Lernen und kulturelle Einflüsse. Sie sind Strategien, um die primären Bedürfnisse zu erfüllen. Alle Bedürfnisse bilden ein hierarchisches Netzwerk: Jedes dient der Befriedigung übergeordneter Ziele und wird durch untergeordnete Bedürfnisse unterstützt. Das oberste Ziel bleibt stets die Fortpflanzung und damit die Erhaltung der Art.

    Begriffe und Unterscheidungen

    Ein Bedürfnis bezeichnet somit einen Mangelzustand, dessen Nichtbefriedigung zu Dysfunktion, Krankheit oder gar Tod führen kann. Es kann positiv (Erwerb oder Gewinn) oder negativ (Vermeidung oder Abwehr) ausgerichtet sein. Wünsche hingegen sind weniger existenziell – ihre Nichterfüllung führt zu Frustration, nicht jedoch zu körperlichem Schaden. Unter Motivation versteht man also die Gesamtheit aller inneren Antriebe, die auf Veränderung abzielen – dazu gehören Bedürfnisse, Triebe, Wünsche, Interessen, aber auch deren Gegenstücke wie Furcht oder Abneigung. Wünsche und andere Formen der Motivation sind letztlich Ausdruck zugrunde liegender Bedürfnisse: Hinter jedem Begehren steht eine rationale oder biologische Ursache. So dient auch die Erfüllung eines Wunsches indirekt der Befriedigung eines tieferen Bedürfnisses.

    Gefühl und Bedürfnis

    Gefühle sind die Signale des Körpers und Geistes, die anzeigen, wie weit ein Bedürfnis erfüllt oder verletzt ist. Lust, Freude und Wohlbefinden entstehen durch Bedürfnisbefriedigung; Schmerz, Angst und Leid durch deren Mangel. Gefühle sind somit das Maß der inneren Homöostase. Ohne Bedürfnisse gäbe es keine Emotionen, keine Lust, keinen Schmerz und womöglich kein Bewusstsein. Bedürfnisse bilden die Grundlage für alles Empfinden.

    Gesunde und ungesunde Bedürfnisse

    Während primäre Bedürfnisse naturgemäß gesund und lebenserhaltend sind, können sekundäre – von Kultur, Gesellschaft oder Erziehung geprägte – sowohl nützlich als auch schädlich sein. Manche kulturell geformten Bedürfnisse fördern Wohlbefinden, andere können zu psychischen Störungen oder Leid führen. Deshalb ist beim Streben nach Bedürfnisbefriedigung stets zu unterscheiden, ob es sich um gesunde oder krankmachendeBedürfnisse handelt.

    Klassifikation der menschlichen Bedürfnisse

    Zur besseren Übersicht unterscheidet man sechs Hauptklassen menschlicher Bedürfnisse, ergänzt durch ein sie verbindendes übergeordnetes Bedürfnis nach Kohärenz:

    • Biologische Bedürfnisse: Sie sichern das Überleben – etwa durch Nahrung, Gesundheit, Sexualität, Schutz, Schlaf, Bewegung, Hygiene und Regeneration.
    • Kooperationsbedürfnisse: Sie betreffen das soziale Leben – Gemeinschaft, Zugehörigkeit, Vertrauen, Solidarität, Akzeptanz, Verantwortung, Moral und gegenseitige Achtung.
    • Freiheitsbedürfnisse: Sie beziehen sich auf Individualität, Selbstbestimmung, Kreativität, Rebellion, Wandel, Humor und Selbstentfaltung.
    • Machtbedürfnisse: Hierzu zählen Streben nach Einfluss, Kontrolle, Überlegenheit, Besitz, Durchsetzungsfähigkeit, Wettbewerb und Dominanz.
    • Erkenntnisbedürfnisse: Sie umfassen Wissen, Neugier, Sprache, Verstehen, Beobachtung, Erinnerung, Fortschritt und geistige Entwicklung.
    • Schönheitsbedürfnisse: Sie drücken sich im Streben nach Harmonie, Ordnung, Rhythmus, Ästhetik, Musik, Poesie und innerer wie äußerer Schönheit aus.

    Über diesen Klassen steht das Konsistenzbedürfnis, das den Ausgleich zwischen konkurrierenden Bedürfnissen sucht. Es strebt nach innerer Einheit, Sinn, Harmonie und Widerspruchsfreiheit – nach einer Balance, in der alle Bedürfnisse miteinander im Einklang stehen.

    Siehe daauch die „Bedürfnispyramide von Maslow„:
    Bildquelle
    http://www-public.tu-bs.de:8080/~wedelman/seminare/motivation_v.1/abb/maslow.jpg
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