Die Einteilung von Menschen in die Schlaftypen Löwe, Bär, Wolf und Delfin basiert auf einem populärwissenschaftlichen Konzept des amerikanischen klinischen Psychologen und SchlafexpertenMichael Breus, das er in seinem Werk The Power of When (2016) vorstellt. Dieses Modell beruht lose auf Erkenntnissen der Chronobiologie, die sich mit inneren biologischen Rhythmen und ihrer Synchronisation mit der Umwelt beschäftigt, stellt jedoch keine klinisch validierte oder in der Schlafforschung etablierte Typologie dar. Vielmehr handelt es sich um ein alltagstaugliches System zur Selbstklassifikation, das Menschen helfen soll, ihre individuellen Leistungshochs und -tiefs sowie optimale Zeitfenster für Schlaf, Arbeit und soziale Interaktionen besser zu verstehen und zu nutzen.
Der Bär-Typ gilt als der häufigste unter den vier Schlaftypen. Etwa 50 Prozent der Menschen lassen sich laut Breus diesem Typ zuordnen. Bären orientieren sich am Sonnenlicht, sind am produktivsten zwischen 9 Uhr morgens und dem frühen Nachmittag und benötigen eine solide Nachtruhe von sieben bis acht Stunden. Sie haben meist einen relativ stabilen Schlaf-Wach-Rhythmus und gelten als sozial anpassungsfähig und ausgeglichen.
Der Löwe-Typ hingegen ist der klassische Frühaufsteher. Löwen wachen oft von selbst sehr früh auf, haben ihr Leistungshoch in den ersten Stunden des Tages und werden am späten Nachmittag schnell müde. Diese Personen zeichnen sich durch Zielorientierung und Struktur aus, gehen jedoch häufig schon früh am Abend schlafen, um ihre Leistungsfähigkeit am Morgen zu erhalten.
Demgegenüber stehen die Wölfe, die als typische Abendmenschen beschrieben werden. Wölfe tun sich schwer mit dem Aufstehen, erleben ihre geistige und kreative Hochphase erst am späten Nachmittag oder Abend und kämpfen oft mit gesellschaftlichen Anforderungen, die auf Frühaktivität ausgerichtet sind. Sie gelten als intuitiv, kreativ und stimmungssensibel.
Der vierte Typ, der Delfin, ist ein leichtschlafender, innerlich aktiver Mensch, der oft unter Schlafstörungen leidet. Delfine haben einen unregelmäßigen Schlafrhythmus, sind nachts häufig wach und wachen leicht auf. Sie werden mit Perfektionismus, Nervosität und hoher Sensibilität in Verbindung gebracht. Während sich andere Typen einigermaßen gut in ihren biologischen Rhythmen zurechtfinden, leiden Delfine oft unter chronischem Schlafmangel und innerer Unruhe.
Aus wissenschaftlicher Perspektive ist das Modell von Breus eine stark vereinfachte Ableitung der bekannten Chronotypen-Forschung, wie sie etwa mit dem sogenannten Morningness-Eveningness Questionnaire (MEQ) von Horne und Östberg (1976) erfasst wird. Die etablierten Chronotypen – etwa Früh-, Zwischen- und Spättyp – sind empirisch belegt und mit physiologischen Parametern wie der Melatoninausschüttung, Körpertemperatur oder kognitiven Leistungsfähigkeit in Verbindung gebracht worden (Roenneberg et al., 2003). Das tierbasierte Vier-Typen-Modell von Breus hingegen operiert mit metaphorischen Zuschreibungen und nutzt die Tierfiguren zur Veranschaulichung komplexer circadianer Zusammenhänge, ohne auf objektive biometrische Kriterien zurückzugreifen. Es erfüllt dennoch einen psychologisch motivierenden Zweck, da es Laien einen niederschwelligen Zugang zum Thema Schlafrhythmus bietet und individuelle Unterschiede in Alltagsplanung und Leistungsfähigkeit anerkennt.
Obwohl die Typen Löwe, Bär, Wolf und Delfin keine wissenschaftlich anerkannten Diagnosen darstellen, finden sie im Bereich des Schlafcoachings, der Selbstoptimierung und der Medienpsychologie breite Anwendung. Ihre Popularität verweist auf das gesellschaftliche Bedürfnis, biologische Rhythmen besser zu verstehen und mit sozialen Anforderungen – etwa frühem Schul- oder Arbeitsbeginn – zu harmonisieren. Für eine differenzierte, medizinisch fundierte Diagnostik und Therapie von Schlafstörungen sollte jedoch weiterhin auf etablierte chronobiologische Instrumente und Methoden zurückgegriffen werden.
Literatur
Breus, M. J. (2016). The Power of When: Discover Your Chronotype—and the Best Time to Eat Lunch, Ask for a Raise, Have Sex, Write a Novel, Take Your Meds, and More. Little, Brown Spark.
Horne, J. A., & Östberg, O. (1976). A self-assessment questionnaire to determine morningness-eveningness in human circadian rhythms. International Journal of Chronobiology, 4, 97–110.
Roenneberg, T., Wirz-Justice, A., & Merrow, M. (2003). Life between clocks: Daily temporal patterns of human chronotypes. Journal of Biological Rhythms, 18, 80–90.
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