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Werkzeuggebrauch bei Orcas als Ausdruck sozialen Verhaltens

    Die Beobachtung von Werkzeuggebrauch bei Tieren gilt seit jeher als Indikator für fortgeschrittene kognitive Fähigkeiten. Während solches Verhalten bereits bei vielen Landtieren, etwa Affen oder Vögeln, gut dokumentiert ist, bleibt es bei Meeressäugern eine Seltenheit. Eine aktuelle Studie von Weiss et al. (2025) bringt nun überraschende Erkenntnisse über Schwertwale (Orcinus orca), denn diese Tiere verwenden eigens angefertigte Werkzeuge aus Braunalgen zur gegenseitigen Körperpflege – ein Verhalten, das weit über bloßes Spiel hinausgeht und möglicherweise auf eine kulturbasierte Tradition innerhalb der Population hindeutet.

    Man beobachtete im Küstengewässer des US-Bundesstaates Washington eine Gruppe von Orcas dabei, wie sie gezielt Stängel der Braunalge Bull Kelp (Nereocystis luetkeana) nutzten. Die Tiere trennten zunächst die langen, flexiblen Algenstiele vom Meeresboden, teilten sie in kürzere Abschnitte und positionierten diese zwischen sich und einem Artgenossen. Anschließend bewegten sich beide Tiere so, dass die Algen über ihre Körper rollten – ein Verhalten, das man als „Allokelping“ bezeichnet. Dabei handelt es sich um ein Pendant zur sozialen Fellpflege bei Landtieren, die nicht nur der Hygiene, sondern auch der Stärkung sozialer Bindungen dient.

    In 30 dokumentierten Fällen zeigte sich, dass dieses Verhalten unabhängig vom Geschlecht oder Alter praktiziert wurde. Besonders häufig trat Allokelping jedoch zwischen verwandten Walen oder solchen gleichen Alters auf, was auf eine sozial-selektive Komponente hinweist. Zudem fiel auf, dass die Tiere bei Unterbrechung der Interaktion das Werkzeug erneut aufnahmen, was auf ein zielgerichtetes, nicht-spielerisches Verhalten schließen lässt. Anders als bei Delfinen, deren spielerischer Umgang mit Objekten bereits bekannt ist, deutet die standardisierte Ausführung des Allokelpings sowie dessen breite Anwendung innerhalb der Population auf eine Funktion jenseits reiner Unterhaltung hin.

    Neben dem sozialen Nutzen vermutet man auch eine physiologische Funktion, denn Braunalgen wie Bull Kelp enthalten antibakterielle und entzündungshemmende Substanzen, was sie potenziell zu einem wirkungsvollen Mittel zur Hautpflege macht. Da Wale abgestorbene Hautzellen regelmäßig abstoßen müssen, könnte Allokelping eine effektive Methode sein, diesen Prozess zu unterstützen. Zudem könnte die taktile Komponente – das gezielte Berühren und Rollen der Algen über die Körperflächen – die sozialen Interaktionen innerhalb der Gruppe intensivieren.



    Literatur

    Weiss, M. N., John, R. E., Caro-Ruiz, A. M., Ellifrit, D. K., Grimes, C. A., Redmond, T. A., Vargas, A. A., & Croft, D. P. (2025). Manufacture and use of allogrooming tools by wild killer whales. Current Biology, 35(12), R599–R600.


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