In der psychologischen Forschung zeigt sich ein grundlegendes Problem: Es mangelt an Replikationsstudien, also an Arbeiten, die bestehende Forschungsergebnisse überprüfen und bestätigen. Diese Lücke hat weitreichende Folgen für die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der psychologischen Wissenschaft. Anstatt das Fundament der Disziplin durch wiederholte Überprüfung zu festigen, richtet sich das Interesse vieler Forschender fast ausschließlich auf neue, kreative Fragestellungen. Originelle Ideen, ungewöhnliche Hypothesen und innovative Methoden versprechen Aufmerksamkeit, Veröffentlichungen in renommierten Fachzeitschriften und akademisches Prestige. Die akribische Wiederholung bereits durchgeführter Studien hingegen gilt oft als wenig prestigeträchtig, als wissenschaftlich „langweilig“ oder gar als intellektuell unterfordernd.
Doch gerade hier liegt ein Trugschluss, der der psychologischen Forschung langfristig schadet. Wissenschaft basiert nicht allein auf Innovation, sondern ebenso auf Verlässlichkeit. Eine Erkenntnis ist nur dann wissenschaftlich belastbar, wenn sie sich auch unter anderen Bedingungen, durch andere Forschende und mit anderen Stichproben reproduzieren lässt. Replikation ist kein Rückschritt, sondern die notwendige Voraussetzung für Fortschritt. Ohne diese Überprüfung fehlt der Disziplin die methodische Selbstkontrolle – und damit das Fundament, auf dem neues Wissen überhaupt sinnvoll aufgebaut werden kann.
Das geringe Interesse an Replikation hat nicht nur mit persönlichen Vorlieben der Forschenden zu tun, sondern auch mit strukturellen Anreizen im Wissenschaftsbetrieb. Forschung, die Bestehendes bestätigt, wird seltener veröffentlicht, erfährt weniger Aufmerksamkeit und wird kaum in Karriereentscheidungen honoriert. Dabei wäre eine Umwertung dringend nötig: Replizierende Studien sollten als genauso wertvoll gelten wie innovative Forschung. Denn nur wenn wir wissen, welche Befunde stabil sind und welche nicht, kann sich die Psychologie als Wissenschaft weiterentwickeln – nicht auf Sand gebaut, sondern auf einem tragfähigen Fundament.
Literatur<
Stangl, W. (2015, 14. Mai). Replikationskrise. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik.
https:// lexikon.stangl.eu/26466/replikationskrise.
Stangl, W. (2016, 1. August). Warum finden unreplizierbare Forschungsergebnisse so viel Aufmerksamkeit? Psychologie-News.
https:// psychologie-news.stangl.eu/3768/warum-finden-unreplizierbare-forschungsergebnisse-so-viel-aufmerksamkeit.
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