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Wie Gene und Umwelt das menschliche Musikerleben formen

    Musik spielt für viele Menschen eine zentrale Rolle in ihrem Leben – sei es als Mittel zur Entspannung, zur emotionalen Regulation oder zur Förderung sozialer Bindung. Doch nicht alle Menschen empfinden Musik in gleicher Weise. Die Freude an Musik, ihre Wahrnehmung und die Intensität, mit der sie erlebt wird, variieren stark von Person zu Person. Bignardi et al. (2025) haben nun herausgefunden, dass diese Unterschiede nicht nur auf persönliche Erfahrungen zurückzuführen sind, sondern auch tief in den Genen verankert sein könnten.

    In einer Zwillingsstudie wurden Daten von über 9000 Zwillingen ausgewertet, wobei sich zeigte, dass eineiige Zwillinge – die nahezu identische Gene teilen – deutlich größere Übereinstimmungen in ihrem Musikempfinden aufwiesen als zweieiige Zwillinge. Diese Befunde deuten darauf hin, dass genetische Faktoren eine zentrale Rolle bei der individuellen Wahrnehmung und dem Genuss von Musik spielen. Die Studie konnte sogar quantifizieren, dass bis zu 54 % der Unterschiede in der sogenannten music reward sensitivity, also der Ansprechbarkeit des Belohnungssystems auf Musik, genetisch bedingt sind (Bignardi et al., 2025).

    Allerdings reicht die genetische Erklärung allein nicht aus, um die Vielfalt an musikalischem Erleben vollständig zu erfassen, denn auch Umweltfaktoren nehmen eine bedeutende Stellung ein. So beeinflusst es zum Beispiel, ob ein Mensch bereits frühzeitig mit Musik in Kontakt kommt, ein Instrument erlernt oder ob Musik in der Alltagskultur der Familie eine Rolle spielt. Solche Faktoren formen nicht nur den Musikgeschmack, sondern auch die Intensität der emotionalen Reaktion auf Musik. Die Studie belegte auch, dass genetische und umweltbedingte Einflüsse auf das musikalische Erleben teilweise voneinander unabhängig wirken und somit unterschiedliche Wege zum Musikgenuss ermöglichen.

    Ein besonders bemerkenswerter Aspekt der Forschung liegt in der differenzierten Betrachtung der genetischen Grundlagen: Die genetischen Einflüsse auf das Musikempfinden unterscheiden sich teilweise von jenen, die mit allgemeinen Belohnungsmechanismen oder mit der Fähigkeit zur Musikperzeption verbunden sind. Dies bedeutet, dass das individuelle Musikerleben nicht einfach ein Nebeneffekt anderer kognitiver oder emotionaler Anlagen ist, sondern dass spezifische genetische Pfade existieren, die gezielt das Musikerleben betreffen. Das Musikerleben ist also demnach das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von Natur und Umwelt, wobei die Freude an Musik zwar tief in der Biologie verwurzelt ist, jedoch maßgeblich von äußeren Einflüssen geprägt wird.



    Literatur

    Bignardi, G., Wesseldijk, L. W., Mas-Herrero, E., Zatorre, R. J., Ullén, F., Fisher, S. E., & Mosing, M. A. (2025). Twin modelling reveals partly distinct genetic pathways to music enjoyment. Nature Communications, 16, doi:10.1038/s41467-025-58123-8


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