Ein TikTok-Video sorgt aktuell für großes Aufsehen und rührt Millionen von Menschen. Es zeigt den 13 Monate alten Golden Retriever Zebby aus Hermosa Beach, Kalifornien, wie er sehnsüchtig in die Krone eines Baumes blickt. Immer wieder kehrt der junge Hund dorthin zurück, winselt leise und schaut seine Besitzerin mit einem enttäuschten Blick an. Der Grund: Vor einigen Monaten entdeckte er genau an dieser Stelle einen Tennisball. Diese kleine, aber bedeutsame Erinnerung scheint Zebby tief verinnerlicht zu haben – ein Zeichen dafür, dass Hunde über ein viel besseres Gedächtnis verfügen, als ihnen oft zugetraut wird.
Was auf den ersten Blick wie ein amüsantes Missverständnis erscheint, ist in Wahrheit ein bewegender Ausdruck tierischer Erinnerung. Der Baum wurde für Zebby zu einem Symbol für Freude und Spiel. Dass er regelmäßig zu diesem Ort zurückkehrt, zeigt, wie stark Hunde emotionale Erlebnisse mit Orten und Gegenständen verknüpfen können. Die Community auf TikTok reagiert mit großer Anteilnahme – viele teilen in den Kommentaren ähnliche Erfahrungen mit ihren eigenen Hunden oder berichten von persönlichen Erinnerungsorten aus der Kindheit. Das Video, gepostet auf dem Kanal @zebbythegolden, zählt mittlerweile über 4,1 Millionen Aufrufe.
Zebby ist kein Einzelfall. Die Forschung belegt, dass Hunde über ein erstaunlich gutes Langzeitgedächtnis verfügen, insbesondere wenn Emotionen oder spielerische Erfahrungen beteiligt sind. So zeigte eine Langzeitstudie der ungarischen „Genius Dog Challenge“, dass speziell trainierte Border Collies sich auch nach zwei Jahren noch an rund drei Viertel der zuvor gelernten Namen ihrer Spielzeuge erinnern konnten. Entscheidend war dabei oft nicht das gezielte Training, sondern das beiläufige Lernen im Spiel. Darüber hinaus besitzen Hunde ein sogenanntes „episodisches Gedächtnis“. Das bedeutet, sie können sich an konkrete Situationen erinnern, auch wenn sie diese nur beobachtet haben – ähnlich wie Menschen, wenn sie sich an ein Lied oder einen Geruch aus ihrer Vergangenheit erinnern. Der ausgeprägte Geruchssinn der Hunde unterstützt dieses Erinnerungsvermögen zusätzlich, denn Düfte sind für sie starke emotionale Auslöser.
Zwar ist das Kurzzeitgedächtnis von Hunden meist auf wenige Minuten beschränkt, doch ihre langfristigen Assoziationen sind erstaunlich stabil. Viele Hunde erinnern sich auch nach Jahren noch an Menschen, andere Tiere, Orte oder Erlebnisse, insbesondere dann, wenn diese mit positiven Emotionen verbunden waren. Gleichzeitig gibt es, wie bei Menschen, große individuelle Unterschiede im Erinnerungsvermögen – und auch bei Hunden lässt die Gedächtnisleistung im Alter nach. Studien zeigen, dass rund 60 Prozent der älteren Hunde Anzeichen kognitiven Abbaus zeigen, vergleichbar mit einer Demenzerkrankung beim Menschen.
Für Hundebesitzer wie Sophie Fogelson, die Halterin von Zebby, bedeutet das: Das Verhalten ihrer Tiere ist oft mehr als bloße Neugier. Erinnerungen an ein Spielzeug, einen Spaziergang oder einen bestimmten Ort können für Hunde eine tiefe emotionale Bedeutung haben. Wer also bemerkt, dass sein Hund an bestimmten Orten besonders aufmerksam ist oder scheinbar „etwas sucht“, sollte nicht vorschnell von Zufall ausgehen. Möglicherweise erinnert sich der Hund einfach nur an einen kleinen Glücksmoment – und hofft, ihn noch einmal erleben zu dürfen.
Literatur
Fugazza, C., Pogány, Á., & Miklósi, Á. (2021). Recall of Others’ Actions after Incidental Encoding Reveals Episodic-like Memory in Dogs. Current Biology, 31(1), 142–147.
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