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Die Psychologie der Geldanlage

    Grundregel an der Börse:
    Das Geld ist nicht weg,
    das haben jetzt einfach nur andere.
    Matthias Deutschmann

    Bei der Veranlagung von Vermögen ist es wesentlich, das Finanzportfolio von den eigenen Emotionen zu entkoppeln. Menschen werden häufig von Stimmungen beeinflusst; die Vermögensanlage ist da keine Ausnahme. Emotionen können dazu verleiten, voreilige Investmententscheidungen zu treffen, die langfristig betrachtet suboptimal oder gar verlustreich sein können.

    In der Psychologie ist gut belegt, dass kognitive Verzerrungen und emotionale Reaktionen eine zentrale Rolle in der finanziellen Entscheidungsfindung spielen. Die Verlustaversion (loss-aversion) – ein Konzept, das von Kahneman und Tversky (1979) eingeführt wurde – beschreibt, dass Verluste subjektiv deutlich schwerer wiegen als gleich große Gewinne erfreuen. Diese überproportionale Reaktion auf Verluste führt häufig dazu, dass Anleger in Phasen fallender Kurse panisch reagieren, obwohl die langfristige Performance ihrer Anlagen positiv sein könnte. Dadurch werden rationale Entscheidungen durch emotionale Impulse überlagert.

    Ein weiteres verbreitetes Phänomen ist das Herdenverhalten (herding), bei dem Menschen dazu neigen, Entscheidungen in Übereinstimmung mit der Mehrheit zu treffen – auch wenn diese Mehrheitsmeinung nicht auf fundierten Analysen basiert. Dieses Verhalten lässt sich psychologisch durch die soziale Bewährtheit („social proof“) erklären, bei der Menschen in Situationen mit Unsicherheit Orientierung an anderen suchen (Cialdini, 2001). In Börsenphasen, die durch Euphorie oder Angst geprägt sind, führt dies häufig zu Blasenbildungen oder massenhaften Verkäufen.

    Der sogenannte Vertrautheits-Bias (Familiarity Bias) ist ein weiterer Mechanismus, bei dem Anleger Unternehmen oder Märkte bevorzugen, mit denen sie sich subjektiv verbunden oder vertraut fühlen, unabhängig von deren tatsächlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Psychologisch betrachtet ist dies eine kognitive Abkürzung (Heuristik), bei der Vertrautheit mit Sicherheit verwechselt wird (Tversky & Kahneman, 1974). Das kann dazu führen, dass Portfolios nicht ausreichend diversifiziert sind und unnötige Klumpenrisiken entstehen.

    Eng damit verwandt ist der Overconfidence Bias, also die Selbstüberschätzung. Viele Anleger überschätzen ihre Fähigkeit, zukünftige Marktentwicklungen vorherzusehen oder einzelne Wertpapiere besser als andere zu analysieren. Diese Selbstüberschätzung kann zu einem übermäßigen Trading-Verhalten und einer unzureichenden Risikostreuung führen. Studien zeigen, dass insbesondere männliche Anleger zu einer höheren Handelsaktivität neigen, die jedoch nicht mit einer höheren Performance einhergeht (Barber & Odean, 2001). Die emotionale Komponente dabei liegt in einem übersteigerten Kontrollgefühl – dem Glauben, durch eigenes Können den Markt überlisten zu können, obwohl viele Entwicklungen im Kapitalmarkt stochastischer Natur sind.

    Ein weiterer psychologischer Mechanismus ist die sogenannte Attributionsverzerrung (Attribution Bias). Anleger schreiben Erfolge häufig ihrer eigenen Kompetenz zu, während sie Misserfolge externen Umständen wie schlechtem Timing oder unvorhersehbaren Ereignissen anlasten. Dieses Muster schützt das Selbstwertgefühl, hindert jedoch an einer objektiven Analyse des eigenen Verhaltens (Miller & Ross, 1975). Dadurch werden Lernprozesse behindert und wiederholte Fehlentscheidungen begünstigt.

    Die Veranlagung von Vermögen erfordert daher nicht nur wirtschaftliches und analytisches Denken, sondern auch ein hohes Maß an emotionaler Selbstdisziplin. Emotionen sind unvermeidlich – doch ihre Wirkung auf finanzielle Entscheidungen kann durch Selbstreflexion, strukturierte Anlagestrategien und professionelle Begleitung stark reduziert werden. Es empfiehlt sich daher eine breite Streuung in verschiedene Regionen und Branchen, um Risiken zu begrenzen, und emotionale Impulse durch fundierte Entscheidungsprozesse zu ersetzen.

    Siehe dazu auch Behavioral Finance und Spekulation als Glücksspiel.



    Literatur

    Barber, B. M., & Odean, T. (2001). Boys will be boys: Gender, overconfidence, and common stock investment. Quarterly Journal of Economics, 116(1), 261–292.
    Cialdini, R. B. (2001). Influence: Science and Practice (4th ed.). Allyn and Bacon.
    Kahneman, D., & Tversky, A. (1979). Prospect theory: An analysis of decision under risk. Econometrica, 47(2), 263–291.
    Miller, D. T., & Ross, M. (1975). Self-serving biases in the attribution of causality: Fact or fiction? Psychological Bulletin, 82(2), 213–225.
    Tversky, A., & Kahneman, D. (1974). Judgment under Uncertainty: Heuristics and Biases. Science, 185(4157), 1124–1131.


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