Die Fähigkeit des menschlichen Gehirns, Informationen gezielt zu speichern und effizient abzurufen, zählt zu den faszinierendsten Aspekten der kognitiven Neurowissenschaften. Eine aktuelle Studie von Li et al. (2025) untersuchten, wie das menschliche Gehirn mit der Begrenztheit seines Arbeitsgedächtnisses umgeht, indem es Ressourcen selektiv zuweist und dadurch wichtige Informationen präziser speichert als weniger relevante.
Mithilfe funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) konnte man zeigen, wie das Gehirn die Position von Punkten verarbeitet, die sich Versuchspersonen auf einem Bildschirm merken sollten. Zwar nimmt der visuelle Cortex zunächst alle visuellen Informationen auf, aber der frontale Cortex entscheidet darüber, welchen Informationen mehr kognitive Ressourcen zugewiesen werden. Diese Priorisierung führt dazu, dass hochrelevante Informationen mit größerer Genauigkeit abgespeichert werden, während weniger relevante Inhalte mit geringerer Präzision im Gedächtnis bleiben.
Zentral war dabei die Entdeckung, dass der frontale Cortex über Rückkopplungssignale die Aktivität im visuellen Cortex moduliert, indem diese Signale den neuronalen Gain – eine Art Verstärkung bestimmter Signale – beeinflussen , wodurch die Verarbeitung von priorisierten Informationen intensiviert wird. Die Dekodierung der Hirnaktivität ergab, dass Erinnerungen mit hoher Priorität nicht nur mit geringerer Fehlerrate, sondern auch mit weniger Unsicherheit gespeichert wurden. Besonders bemerkenswert war dabei, dass diese neuronalen Unterschiede direkt mit dem Verhalten der Probanden korrelierten, d. h., je stärker die Aktivierung im frontalen Cortex, desto präziser die Wiedergabe priorisierter Informationen im visuellen Cortex.
Diese diese Ergebnisse erweitern einerseits das Verständnis der Funktionsweise des Arbeitsgedächtnisses, insbesondere im Hinblick auf die limitierte Speicherkapazität des Gehirns, andererseits eröffnen sich potenzielle Anwendungsfelder in der Entwicklung von Technologien, die die menschliche Gedächtnisleistung verbessern könnten, etwa durch kognitive Trainingsmethoden oder neuroadaptive Systeme, die auf individuelle Gedächtnisstrategien reagieren. Darüber hinaus ist die Relevanz für den Bereich der Künstlichen Intelligenz nicht zu unterschätzen, denn das menschliche Gehirn dient zunehmend als Vorbild für adaptive Algorithmen, die lernen sollen, relevante Informationen effizient von irrelevanten zu unterscheiden. Ein vertieftes Verständnis der neuronalen Mechanismen hinter der Priorisierung von Informationen kann helfen, diese Algorithmen ressourcenschonender und leistungsfähiger zu gestalten.
Insgesamt zeigt die Studie auch eindrucksvoll, wie raffiniert das menschliche Gehirn seine beschränkten kognitiven Ressourcen nutzt, denn es priorisiert, verstärkt und differenziert, also nicht zufällig, sondern zielgerichtet nach Relevanz.
Literatur
Li, H.-H., Sprague, T. C., Yoo, A. H., Ma, W. J. & Curtis, C. E. (2025). Neural mechanisms of resource allocation in working memory. Science Advances, 11, doi:10.1126/sciadv.adr8015.
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