Schrumpfungsprozesse in spezifischen Gehirnbereichen und deren Auswirkungen auf die Erinnerungsfähigkeit sind Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Untersuchungen. Eine aktuelle Studie des University College London (UCL) hat jene Regionen des Gehirns identifiziert, die essenziell für das Erinnern an Wörter sind. Demnach steht eine Reduktion des Volumens in vorderen und seitlichen Bereichen des Gehirns in Verbindung mit Beeinträchtigungen der verbalen Erinnerungsfähigkeit. Besonders betroffen sind die präfrontalen, temporalen und cingulären Kortizes sowie der Hippocampus (Besné et al., 2025).
Diese Erkenntnisse sind insbesondere im Kontext der Epilepsieforschung relevant. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten zeigen, dass eine verbreitete Form der Epilepsie, die Temporallappenepilepsie, mit einer Verkleinerung dieser Gehirnbereiche assoziiert ist. In einer Untersuchung von 84 Personen mit Temporallappenepilepsie und hippocampaler Sklerose sowie 43 gesunden Kontrollpersonen wurden mittels Magnetresonanztomographie (MRT) detaillierte Analysen der Gehirnstrukturen durchgeführt. Darüber hinaus wurden standardisierte Tests aus der „Adult Memory and Information Processing Battery“ eingesetzt, um das verbale Gedächtnis der Probanden zu bewerten. Dabei zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen einer Verkleinerung der genannten Gehirnregionen und einer reduzierten Erinnerungsleistung (Besné et al., 2025).
Das menschliche Gehirn verfügt über ein weit verzweigtes Netzwerk zur Speicherung und Verarbeitung von Erinnerungen, wobei dieses Netzwerk über das gesamte Gehirn verteilt sind und insbesondere die zuvor genannten Regionen eine Schlüsselrolle einnehmen. Dies hat Implikationen für das Verständnis neurologischer Erkrankungen, insbesondere der Epilepsie. So könnte es möglich sein, mithilfe präziser MRT-Scans zu bestimmen, welche Bereiche des Gehirns geschrumpft sind und wie stark die Gedächtnisfunktion dadurch beeinflusst wird. Die Studienergebnisse liefern somit wertvolle Hinweise darauf, welche Gehirnbereiche für das Erstellen und Speichern von Erinnerungen essenziell sind. Langfristig könnten diese Erkenntnisse auch zu neuen neurochirurgischen Behandlungsansätzen beitragen, bei denen gezielt auf diese kritischen Bereiche Rücksicht genommen wird (Besné et al., 2025).
In einer weiteren Untersuchung zur Epilepsiebehandlung wurde der Einfluss von Antiepileptika auf die neuronale Aktivität erforscht. Dabei analysierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über 3000 Stunden intrakranielle EEG-Aufzeichnungen von 32 Probanden, von denen 22 einer abgestuften Reduktion der Medikation unterzogen wurden. Die Forscher schätzten die Plasmaspiegel der Antiepileptika anhand pharmakokinetischer Daten und beobachteten eine Abnahme der Delta-Wellen-Aktivität (δ-Band) während der Phase des maximalen Medikamentenentzugs. Dies galt unabhängig von der Epilepsieform oder der Medikamentenkombination. Besonders auffällig war, dass diese Reduktion in allen kortikalen Regionen während des Tages auftrat, jedoch nicht in subkortikalen Regionen oder während der Nacht. Ein direkter Zusammenhang mit der Entstehung von Anfällen oder pathologischen Hirnarealen konnte jedoch nicht festgestellt werden (Besné et al., 2025).
Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind von besonderer Relevanz, da sie nahelegen, dass eine Überwachung der Antiepileptika-Wirkung in kortikalen Bereichen potenziell für Anwendungen wie Erinnerungs- oder automatisierte Medikamentenabgabesysteme genutzt werden könnte. Da Antiepileptika auch in anderen neurologischen und psychiatrischen Krankheitsbildern eingesetzt werden, haben diese Erkenntnisse weitreichende Implikationen für die Neurowissenschaften und die klinische Praxis (Besné et al., 2025).
Literatur
Besné, G. M., Evans, N., Panagiotopoulou, M., Smith, B., Chowdhury, F. A., Diehl, B., Duncan, J. S., McEvoy, A. W., Miserocchi, A., de Tisi, J., Walker, M. C., Taylor, P. N., Thornton, C., & Wang, Y. (2025). Anti-seizure medication tapering correlates with daytime delta band power reduction in the cortex. Brain Communications, 7, doi:10.1093/braincomms/fcaf020
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