Vera Luif hat in einer Studie die ganz spezifische Dramaturgie des Psychotischen analysiert und postuliert, dass der Tagebuchschreiber sein Erleben in der Psychose retrospektiv schildert und sich selbst meist als Beobachter, der Wahrnehmungen und Ereignisse aus einer gewissen Distanz heraus positioniert und nur selten selber in das Geschehen involviert ist. Sie hat vierzig Tagebuchausschnitte mit einem induktiv generierten Kategoriensystem systematisch untersucht, wobei die Befunde auf eine sehr spezifische sprachliche und inhaltliche Gestaltung derartiger Erlebnisberichte hinweisen.
Seine Emotionen spart der Psychotiker aus, vielmehr inszeniert er emotional aufgeladene Szenarien, ohne diese zu explizieren. Er ist in der Lage, die Abfolge des Geschehens meist kohärent wiederzugeben; in einigen spezifischen Fällen jedoch sind die Texte durch Inkohärenz gekennzeichnet. Charakteristisch für das Erzählen außergewöhnlicher, unglaublicher, unwahrscheinlicher Sachverhalte ist die unaufgelöste Setzung, die weder argumentativ untermauert noch expliziert werden muss – der Verfasser fungiert gleichzeitig als unerschütterliche Beweisinstanz. Parallel dazu und somit in paradoxer Art und Weise werden jedoch die als felsenfest behaupteten Geschehnisse gleichzeitig aus der Retrospektive relativiert, so dass zum Schluss beide Befunde unwiderrufen nebeneinander stehen: Einerseits die Überzeugung des Verfassers, das Geschilderte entspreche der Realität, andererseits seine Zweifel daran und damit einhergehende Relativierungen.
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