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Ein Bildstabilisator im menschlichen Gehirn

    Das menschliche Gehirn besitzt eine bemerkenswerte Fähigkeit, Bewegungen und visuelle Eindrücke zu koordinieren, um ein stabiles und unverzerrtes Bild der Umgebung zu erhalten. Jösch et al. (2025) haben kürzlich eine entscheidende Struktur im Gehirn identifiziert, die eine wesentliche Rolle bei dieser Fähigkeit spielt – den sogenannten Seitlichen Kniehöcker (Corpus geniculatum laterale, CGL). Diese Region, die sich im Thalamus des Gehirns befindet, fungiert als eine Art „Bildstabilisator“, der es ermöglicht, visuelle Eindrücke bei Bewegung korrekt zu verarbeiten. Diese Struktur modifiziert visuelle Signale in der Art, dass die Wahrnehmung von Bildern nicht durch Augenbewegungen oder Körperbewegungen verzerrt wird. Der Seitliche Kniehöcker spielt demnach eine zentrale Rolle bei der frühen visuellen Verarbeitung, indem er Bewegungsbefehle und sensorische Eindrücke aus anderen Teilen des Gehirns integriert und ein Korrektursignal berechnet. Dieses Korrektursignal wird dann an andere Gehirnregionen weitergeleitet, um komplexe visuelle Eindrücke zu erzeugen, die sowohl effizienter als auch präziser sind. Diese Bildkorrektur erfolgt bereits früh in der visuellen Verarbeitung, sodass die späteren Phasen der visuellen Wahrnehmung optimiert werden können. Dieser Prozess ist entscheidend, um Verzerrungen zu verhindern, die durch Bewegungen wie Augen- oder Kopfbewegungen entstehen könnten. Eine experimentelle Untersuchung an Mäusen, die in einer virtuellen Umgebung interagierten, zeigte, dass der Seitliche Kniehöcker motorische und sensorische Signale aus dem gesamten Gehirn kombiniert, um visuelle Signale zu schärfen, sobald sich das Auge bewegt. Dies ermöglicht es dem Gehirn, visuelle Eindrücke präzise zu stabilisieren, was für eine genaue Wahrnehmung und Handlung erforderlich ist. Diese Entdeckung legt nahe, dass der Thalamus, und insbesondere der Seitliche Kniehöcker, eine Schlüsselrolle bei der visuellen Wahrnehmung und der Bewegungskoordination spielt

    Auch Menschen besitzen einen Seitlichen Kniehöcker, der vermutlich die gleiche Funktion wie bei Tieren erfüllt. Dieser Mechanismus ist nicht nur für Tiere von Bedeutung, sondern auch für den Menschen, insbesondere für Aufgaben, bei denen eine präzise Wahrnehmung in Bewegung erforderlich ist, wie etwa beim Fahren oder Sport. Die Ergebnisse der Studie von Jösch und Kollegen (2025) haben wichtige Implikationen für das Verständnis darüber, wie das Gehirn Bewegungen vorhersagt und wie visuelle Verzerrungen korrigiert werden. Darüber hinaus eröffnen die Ergebnisse neue Perspektiven für die Untersuchung von Gehirnnetzwerken, die für die Steuerung von Wahrnehmung und Bewegung verantwortlich sind.



    Literatur

    Jösch, M., Vega-Zuniga, T., Sumser, A., Symonova, O., Koppensteiner, P. & Schmidt, F. H. (2025). A thalamic hub-and-spoke network enables visual perception during action by coordinating visuomotor dynamics. Nature Neuroscience, 28, 123-135.


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