Die Präsentation von Bildern, welche Selbstverletzungen zeigen, in den sozialen Medien kann bei Jugendlichen, die bereits Erfahrungen mit nicht-suizidaler selbstverletzendem Verhalten (NSSV) gemacht haben, zu einer Verstärkung dieses Verhaltens führen. Eine Studie von Gores et al. (2024) demonstriert, dass visuelle Inhalte in sozialen Medien eine signifikante Verstärkung des Selbstverletzungsdrangs bewirken können, insbesondere bei bereits gefährdeten Jugendlichen.
Es konnte festgestellt werden, dass Jugendliche mit einer Vorgeschichte von nicht-suizidalem selbstverletzendem Verhalten (NSSV) eine erhöhte Aufmerksamkeit für Bilder von Selbstverletzungen in sozialen Medien aufweisen. Diese Aufmerksamkeitsverzerrung – das verstärkte und schnellere Fixieren solcher Inhalte – führt zu einer Intensivierung des Drangs, sich selbst zu verletzen. Daher ist eine Intensivierung von Präventions- und Interventionsmaßnahmen erforderlich.
Im Rahmen der Untersuchung wurden 14- bis 18-Jährige mit und ohne NSSV-Erfahrungen einer Analyse unterzogen. Die Blickrichtung sowie die Dauer der Fixierungen auf unterschiedliche visuelle Reize wurden mit der sogenannten Eye-Tracking-Technologie gemessen. Des Weiteren wurden die Reaktionszeiten auf NSSV-Bilder im Vergleich zu neutralen Bildern erfasst. Die Resultate demonstrieren, dass Jugendliche mit Vorerfahrung eine signifikant stärkere Reaktion auf Selbstverletzungsbilder zeigen als auf neutrale Inhalte. Zudem fällt es ihnen schwer, ihre Aufmerksamkeit von diesen abzuwenden. Bei Texten, die sich mit Selbstverletzung befassten, konnte hingegen kein solcher Zusammenhang festgestellt werden. Die Kontrollgruppe ohne NSSV-Vorgeschichte wies keine vergleichbare Reaktion auf die NSSV-Bilder auf. Für Jugendliche ohne entsprechende Vorerfahrung scheinen derlei Inhalte weniger problematisch zu sein. Obgleich physiologische Stressreaktionen wie Herzfrequenz oder Hautleitfähigkeit nach dieser Studie keine signifikanten Unterschiede bei der Konfrontation mit den Bildern aufwiesen, könnten psychische Effekte als belastend wahrgenommen werden.
Dieswe Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit, Jugendliche besser auf den Umgang mit solchen Bildern vorzubereiten und ihnen adäquate Werkzeuge an die Hand zu geben, um ihre emotionale Regulation zu verbessern und sich von belastenden Reizen zu distanzieren. Daher wird empfohlen, dass Fachleute und Behandelnde in Bezug auf potenzielle Trigger durch solche Bilder aufmerksam sind und das Thema mit Betroffenen aufgreifen. Als Prävention gegen solche Medieninhalte werden Maßnahmen zur Verbesserung emotionaler Regulationsfähigkeiten und Sensibilisierungsprogramme empfohlen.
Literatur
Goreis, Andreas, Pfeffer, Bettina, Hajek Gross, Carola, Klinger, Diana, Oehlke, Sofia M., Zesch, Heidi, Claes, Laurence, Plener, Paul L., Kothgassner, Oswald D. (2024). Attentional Biases and Nonsuicidal Self-Injury Urges in Adolescents. JAMA Network Open, doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.22892.
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