Es ist wissenschaftlich fundiert, dass der Körper sich an Übergewicht erinnert, selbst wenn Menschen bereits abgenommen haben. Man bezeichnet diesen Effekt als Set-Point-Theorie oder Gewichtsgedächtnis des Körpers. Dabei handelt es sich um den Mechanismus, dass der Körper sich an ein früheres Übergewicht „erinnert“ und versucht, dorthin zurückzukehren, selbst wenn eine Person Gewicht verloren hat. Dieses Phänomen hat mehrere physiologische und psychologische Grundlagen:
Hormonelle Veränderungen: Nach einer Gewichtsabnahme sinkt das Hormon Leptin, das normalerweise das Sättigungsgefühl signalisiert. Gleichzeitig steigt das Hormon Ghrelin, das den Appetit anregt. Dadurch wird es schwieriger, das reduzierte Gewicht zu halten. Weitere hormonelle Anpassungen können den Stoffwechsel verlangsamen, was bedeutet, dass der Körper weniger Kalorien verbrennt.
Stoffwechselanpassungen: Nach einer Diät passt der Körper seinen Energieverbrauch nach unten an. Das wird als adaptive Thermogenese bezeichnet. Dadurch verbraucht der Körper weniger Kalorien, selbst in Ruhe oder bei Bewegung. Diese Anpassung kann dazu führen, dass ehemalige Diäten eine strengere Kontrolle der Kalorienaufnahme erfordern, um das niedrigere Gewicht zu halten.
Fettzellen: Fettzellen, die sich während einer Phase des Übergewichts vergrößert haben, bleiben oft bestehen, auch wenn sie „leerer“ werden. Der Körper neigt dazu, diese Zellen wieder aufzufüllen, wenn er die Gelegenheit hat.
Psychologische Faktoren: Menschen, die Gewicht verloren haben, erleben oft Heißhunger oder verstärkte Gelüste, was das Risiko für Rückfälle erhöht. Der Körper reagiert auch auf Stress oder Einschränkungen mit einem erhöhten Drang zu essen.
Genetische Ursachen: Bei Menschen mit Übergewicht konnten auch Veränderungen in der Genaktivität festgestellt werden, die auf eine gesteigerte Expression von Genen, die Entzündungen fördern, und eine verminderte Expression von Genen, die für einen gesunden Stoffwechsel von Bedeutung sind, zurückzuführen sind. Diese Veränderungen sind auf chemische Modifikationen zurückzuführen, die bei Übergewicht auftreten und die Genaktivität beeinflussen. Auch nach einem starken Gewichtsverlust bleiben die Modifikationen bestehen, was darauf hinweist, dass die Fettzellen eine Art Erinnerung an das Übergewicht aufrechterhalten und dadurch die Gewichtsabnahme erschweren.
Der Körper strebt also nach einer Art „Balance“ (Homöostase) und scheint sich an ein höheres Körpergewicht zu gewöhnen, wenn es einmal erreicht wurde. Diese Mechanismen machen das Halten eines reduzierten Gewichts schwierig, , d. h., langfristiger Erfolg ist nur durch nachhaltige Lebensstiländerungen, körperliche Aktivität und eine ausgewogene Ernährung möglich.
Die Basis des adipogenen Gedächtnisses bildet eine Vielzahl epigenetischer Modifikationen in Zellen des Fettgewebes, wobei auch andere Zelltypen wie Neurone involviert zu sein scheinen. Daher ist es von essentieller Bedeutung, von Beginn an auf ein gesundes Körpergewicht zu achten, um die Entwicklung von Übergewicht und den damit einhergehenden Folgeerkrankungen zu vermeiden. Dies gilt insbesondere für die Vorbildfunktion von Eltern gegenüber ihren Kindern. Der Begriff „Epigenetik“ bezeichnet Veränderungen in der Aktivität von Genen, die auf Umweltfaktoren oder den Lebensstil zurückgehen. Dabei bleibt die vererbte Abfolge der DNA-Bausteine unverändert. Oftmals sind sie das Resultat spezifischer chemischer Modifikationen an der DNA. Diese Veränderungen können über viele Jahre oder Jahrzehnte stabil bleiben und teilweise sogar über Generationen hinweg vererbt werden.
Im Rahmen einer Studie wurde die Umsetzung der Erbinformationen in den Fettgewebszellen von 18 nicht fettleibiger (adipöser) Menschen mit der Umsetzung bei 20 fettleibigen Männern und Frauen jeweils vor und nach starker Gewichtsabnahme (mindestens 25-prozentige Verminderung des BMI), die jeweils auf eine bariatrische Operation (Magenverkleinerung) zurückging, verglichen. Analog wurden ähnliche Analysen mit schlanken, fettleibigen und ehemals fettleibigen Mäusen durchgeführt. Im Rahmen der Untersuchungen konnten transkriptionelle Veränderungen in den Fettgewebszellen nachgewiesen werden, die auch nach deutlichem Gewichtsverlust weiterhin bestehen blieben. Die Veränderungen betreffen die Ablesbarkeit und Umsetzung von Genen des Erbgutmoleküls DNA in Zellbestandteile. Die Folge dessen waren unter anderem persistierende Beeinträchtigungen einiger Stoffwechselprozesse. Mäuse, die vor der Studie übergewichtig waren und eine entsprechende epigenetische Markierung aufwiesen, nahmen schneller wieder zu als Mäuse, die ein normales Körpergewicht aufwiesen, wenn sie Zugang zu einer fettreichen Nahrung bekamen. Dies demonstrierte die Existenz einer molekularen Grundlage für den sogenannten Jo-Jo-Effekt, da auch beim Menschen Hinweise auf einen solchen Mechanismus existieren.
Literatur
Bordoni, Laura,Agostinho de Sousa, João, Zhuo, Jingran & von Meyenn, Ferdinand (2024). Evaluating the connection between diet quality, EpiNutrient intake and epigenetic age: an observational study. The American Journal of Clinical Nutrition, 120, 1143-1155.
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