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Redundante Speicherung von Erinnerungen

    Erinnerungen sind dynamische Konstrukte, deren Eigenschaften sich mit der Zeit und der Erfahrung verändern. Die biologischen Mechanismen, die dieser Dynamik zugrunde liegen, sind nach wie vor rätselhaft, insbesondere die Frage, wie Verschiebungen in der Zusammensetzung der gedächtniskodierenden neuronalen Ensembles die Entwicklung eines Gedächtnisses im Laufe der Zeit beeinflussen. Nun konnte gezeigt werden, dass Erinnerungen im Gehirn in dreifacher Ausführung gespeichert werden. Nach einer Untersuchung Kveim et al. (2024) werden nämlich von einem Ereignis jeweils drei Kopien erstellt. Dies fand man heraus, indem man auf entwicklungsmäßig unterschiedliche Subpopulationen von Hauptneuronen abzielte, wobei die Gedächtniskodierung zur gleichzeitigen Etablierung mehrerer Gedächtnisspuren im Hippocampus der Maus führte. Diese unterscheiden sich vor allem darin, wie leicht sie sich verändern lassen.

    Man konnte am Mausmodell zeigen, dass drei verschiedene Gruppen von Neuronen ein Ereignis jeweils parallel abspeichern. Eine Gedächtniskopie ist anfangs so schwach, dass sie vom Gehirn nicht abgerufen werden kann. Mit der Zeit werden die dort gespeicherten Erinnerungen jedoch immer stärker. Im Gegensatz dazu speichert eine andere Gruppe von Neuronen ein Ereignis jeweils in einer anfangs sehr starken Kopie, die aber mit der Zeit immer schwächer wird. Mit der Zeit kann das Gehirn auf diese Kopie nicht mehr zurückgreifen. Bei einer dritten Gruppe von Neuronen bleibt die angelegte Kopie stabil. Diese Erinnerungskopien unterscheiden sich daher in ihrer Formbarkeit. Während die Kopie, die mit der Zeit verblasst, umgeschrieben werden kann, ist die Kopie, die mit der Zeit stärker wird, kaum veränderbar. Diese unterschiedliche Rekrutierung dieser Subpopulationen untermauerte die allmähliche Reorganisation von Gedächtnis-Ensembles und modulierte die Gedächtnispersistenz und Plastizität über mehrere Lernepisoden hinweg. Diese Ergebnisse offenbaren somit tiefgreifende und komplexe Beziehungen zwischen der Dynamik von Gedächtnisgruppen und der Entwicklung von Erinnerungen im Laufe der Zeit.



    Literatur

    Vilde A. Kveim, Laurenz Salm, Talia Ulmer , Maria Lahr, Steffen Kandler, Fabia Imhof, & Flavio Donato (2024). Divergent recruitment of developmentally defined neuronal ensembles supports memory dynamics.
    Science, 385, doi:10.1126/science.adk0997


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