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Verschiedene Formen der Depression

    Tozzi et al. (2024) haben entdeckt, dass Depressionen in mindestens sechs unterschiedliche Biotypen unterteilt werden können, die sich durch spezifische Muster der Hirnaktivität unterscheiden lassen. Diese Entdeckung basiert auf einer Studie, die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) zur Untersuchung der Gehirnaktivität von 801 Personen mit Depressionen oder Angststörungen sowie 137 gesunden Kontrollpersonen verwendete. Die Studienteilnehmer ruhten während der fMRT-Scans oder führten Aufgaben aus, die sie geistig und emotional forderten. 250 der Patienten erhielten zudem eine Behandlung mit einem gängigen Antidepressivum oder eine Gesprächstherapie. Die Hirnscans wurden anschließend mit Hilfe einer künstlichen Intelligenz ausgewertet, die die Bilder in Gruppen sortierte.

    Die Auswertung der Hirnscans zeigte sechs unterschiedliche Aktivitätsmuster in bestimmten Hirnregionen. Zum Beispiel:

    • Biotyp DC+SC+AC+: Höhere Aktivität in drei neuronalen Schaltkreisen, die an der Verarbeitung von Aufmerksamkeit und Ruhe sowie an Problemlösungen beteiligt sind.
    • Biotyp AC-: Weniger Aktivität in einem Schaltkreis, der für die Aufmerksamkeit zuständig ist.
    • Biotyp NSA+PA+: Überaktivität der Affektschaltkreise bei der Verarbeitung emotionaler Aufgaben, was zu stärkeren positiven oder negativen Affekten führt.
    • Biotyp CA+: Überaktive Neuronen zur kognitiven Kontrolle.

    Ein seltenerer Biotyp zeigte keine auffälligen Unterschiede in der Hirnaktivität im Vergleich zu gesunden Personen, was darauf hindeutet, dass es möglicherweise noch unentdeckte neuronale Zusammenhänge gibt.

    Die verschiedenen Biotypen korrelierten mit unterschiedlichen Symptomen und Therapieerfolgen., denn Personen des Biotyps NSA+PA+ und CA+ zeigten weniger Freude und grübelten mehr, während CA+-Patienten ängstlicher waren, AC–Patienten hingegen litten unter weniger Spannungen. Der therapeutische Erfolg variierte ebenfalls je nach Biotyp. Das Medikament Venlafaxin zeigte bei CA+-Patienten bessere Ergebnisse, während bei Personen mit dem DC+SC+AC+-Biotyp eine Verhaltens- und Gesprächstherapie am besten half. Für den AC–Biotyp erwies sich diese Therapieform als weniger wirksam.

    Diese Erkenntnisse könnten die Diagnose und Behandlung von Depressionen revolutionieren, indem sie eine personalisierte Medizin ermöglichen. Hirnscans könnten zukünftig helfen, die vielversprechendsten Behandlungsansätze für jeden Patienten schneller zu identifizieren und anzuwenden. In der Praxis nutzen die Forschenden an der Stanford University bereits Hirnscans zur Diagnose und Behandlung von Patienten. Sie entwickeln neue Standard-Protokolle, die später auch von anderen Psychiatern angewendet werden können. Diese Forschung verspricht, die Behandlung von Depressionen effizienter und gezielter zu gestalten, indem sie die zugrundeliegenden neuronalen Unterschiede berücksichtigt und somit individuell angepasste Therapieansätze ermöglicht.



    Literatur

    Tozzi, Leonardo, Zhang, Xue, Pines, Adam, Olmsted, Alisa M., Zhai, Emily S., Anene, Esther T., Chesnut, Megan, Holt-Gosselin, Bailey, Chang, Sarah, Stetz, Patrick C., Ramirez, Carolina A., Hack, Laura M., Korgaonkar, Mayuresh S., Wintermark, Max, Gotlib, Ian H., Ma, Jun & Williams, Leanne M. (2024). Personalized brain circuit scores identify clinically distinct biotypes in depression and anxiety. Nature Medicine, doi:10.1038/s41591-024-03057-9.


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