In einer aktuellen Studie haben Psychologen die Reaktion des menschlichen Gehirns auf widersprüchliche Emotionen untersucht und dabei überraschende Entdeckungen gemacht. Bislang ging man davon aus, dass sogenannte „gemischte Gefühle“ wie bittersüße Nostalgie lediglich eine Kombination positiver und negativer Emotionen darstellen. Die aktuelle Studie zeigt jedoch, dass sie ein eigenständiges Aktivitätsmuster im Gehirn aufweisen.
Vaccaro et al. (2024) widmeten sich dieser Fragestellung und nutzten den animierten Kurzfilm „One Small Step“, um bei 27 Testpersonen verschiedene Emotionen auszulösen. Der Film beinhaltet Szenen, die sowohl fröhliche als auch traurige Elemente enthalten, um gezielt gemischte Gefühle zu erzeugen. Im Rahmen des ersten Durchlaufs des Experiments wurde mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) untersucht, welche Hirnaktivitäten bei den Probanden während der Filmrezeption zu beobachten waren. Im zweiten Durchlauf sahen die Testpersonen den Film erneut und berichteten, wann sie positive, negative oder gemischte Gefühle empfanden. Diese Eigenangaben wurden anschließend mit den Gehirnscans verglichen.
Die Auswertung der Daten ergab, dass die Gehirne der Testpersonen charakteristische und einzigartige Aktivitätsmuster aufwiesen, während sie komplexe, ambivalente Gefühle wie Bittersüße erlebten. Dabei zeigten sich insbesondere Aktivierungen in den Hirnarealen der Amygdala und des Nucleus accumbens. Diese Areale sind für die Verarbeitung negativer und positiver Emotionen sowie für die Gedächtnisbildung emotionaler Erlebnisse zuständig.
Die während der gesamten Aufnahmen beobachteten Aktivitätsmuster weisen darauf hin, dass gemischte Gefühle ein eigenständiges Gefühl sind, das sich nicht als einfache Summe zweier Gefühle beschreiben lässt. Es handelt sich also nicht um eine Pendelbewegung zwischen negativ und positiv, sondern um ein sehr einzigartiges, gemischtes Gefühl, das über einen langen Zeitraum hinweg stabil bleibt. Bei rein positiven oder negativen Gefühlen zeigten sich hingegen ganz andere, bereits aus früheren Studien bekannte Aktivitätsmuster. Die MRT-Scans ermöglichten zudem die Identifikation derjenigen Zeitpunkte, zu denen eine Veränderung der Gefühlslage einer Person eintrat. Dies ging mit einer Veränderung der Aktivität in bestimmten Hirnarealen, wie der Inselrinde (Cortex insularis), einher. Obwohl die genaue Funktion dieser Region noch nicht vollständig geklärt ist, ist bekannt, dass die Inselrinde mit der Amygdala und anderen Hirnarealen verknüpft ist und an der emotionalen Bewertung von Schmerzen beteiligt ist. Ambivalente Gefühle stellen daher ein eigenständiges Phänomen dar, wobei eine gewisse Raffinesse erforderlich scheint, um mit gemischten Gefühlen umzugehen und sich gleichzeitig positiv und negativ zu fühlen.
Literatur
Vaccaro, Anthony G., Wu, Helen, Iyer, Rishab, Shakthivel, Shruti, Christie, Nina C., Damasio, Antonio & Kaplan, Jonas (2024). Neural patterns associated with mixed valence feelings differ in consistency and predictability throughout the brain. Cerebral Cortex, 34, doi:10.1093/cercor/bhae122.
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