Aphantasie verhindert, dass Menschen visuelle Bilder erleben. Die meisten Menschen können jahrzehntealte persönliche Erfahrungen, also autobiografische Erinnerungen, mit lebhaften mentalen Bildern abrufen. Es gibt jedoch nur wenige Informationen darüber, ob der Verlust der visuellen Vorstellungskraft bei Aphantasikern diesen Abruf beeinflusst. Es wird angenommen, dass der Hippocampus ein wichtiger Knotenpunkt in einem Netzwerk ist, das dem autobiografischen Gedächtnis zugrunde liegt. Der Hippocampus fungiert bei der Gedächtnisbildung als Zwischenspeicher des Gehirns und unterstützt sowohl das autobiografische Gedächtnis als auch die bildhafte Vorstellungskraft.
In einer aktuellen Studie untersuchten Monzel et al. (2023) Aphantasten und demografisch passende Kontrollpersonen bei einer diesbezüglichen Aufgabe mittels funktioneller Magnetresonanztomographie. Ziel war es, zu untersuchen, wie die Schlüsselregionen des Gehirns (d.h. Hippocampus und visuell-perzeptive Cortices) während des Wiedererlebens von autobiografischen Erinnerungen miteinander interagieren. Alle Teilnehmer wurden zu ihrem autobiografischen Gedächtnis befragt, um ihr episodisches und semantisches Erinnern an bestimmte Ereignisse zu untersuchen. Diejenigen Teilnehmer, die an Aphantasie leiden, berichteten über größere Schwierigkeiten beim Erinnern, waren weniger zuversichtlich bezüglich ihrer Erinnerungen und beschrieben weniger interne und emotionale Details als die Kontrollpersonen. Auf neuronaler Ebene zeigten Aphantasiker während des Abrufs eine geringere Aktivierung des Hippocampus und eine erhöhte Aktivierung des visuell-perzeptiven Cortex im Vergleich zu den Kontrollprobanden. Während der Erinnerungen zeigten sie außerdem eine starke negative funktionelle Konnektivität zwischen dem Hippocampus und dem visuellen Cortex. Die funktionelle Konnektivität im Ruhezustand zwischen diesen beiden Hirnstrukturen sagte bessere Visualisierungsfähigkeiten voraus. Diese Ergebnisse legen nahe, dass visuelles Vorstellungsvermögen für detailreiche und lebendige autobiografische Erinnerungen unerlässlich ist. Diese kognitive Funktion wird durch die funktionelle Verbindung zwischen dem Hippocampus und dem visuell-perzeptiven Cortex unterstützt. Offenbar funktioniert das autobiographische Gedächtnis bei Menschen mit eingeschränkter visueller Vorstellungskraft anders als bei Menschen, die sich leicht bildhafte Vorstellungen machen können.
Literatur
Monzel, Merlin, Leelaarporn, Pitshaporn, Lutz, Teresa, Schultz, Johannes, Brunheim, Sascha, Reuter, Martin & McCormick, Cornelia (2023). Hippocampal-occipital connectivity reflects autobiographical memory deficits in aphantasia. eLife, doi:10.7554/eLife.94916.1
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