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Wie man sich richtig langweilt

    Während sich Erwachsene kaum langweilen, tun das Kinder und Jugendliche sehr häufig. Langeweile ist wichtig für die Entwicklung, denn Langeweile macht kreativ. Wenn Kinder mit ihrer Zeit nichts mehr anzufangen wissen, dann ist die richtige Reaktion von Eltern: „Dann langweilst du dich eben!“

    Kinder müssen erfahren, wie es ist, seine eigenen Stimmungen auszuhalten, und müssen lernen, dagegen Strategien zu entwickeln. Eltern, die ihren Kindern Langeweile „zumuten“, machen dann die Erfahrung, dass es nicht sehr lange dauert, bis die Kinder doch eine Beschäftigung gefunden haben. Die Lust am Spiel, Entdecken, Lernen, Ausdauer und Neugier werden dann geweckt, alles Eigenschaften, die man später im Leben gut brauchen kann.

    Eltern hingegen, die immer für „Action“ sorgen, nehmen ihren Kindern die Möglichkeit, sich selber Gedanken zu machen und vielleicht etwas Kreatives zu entwickeln.


    Bernhard Heinzlmaier vom Österreichischen Institut für Jugendkulturforschung hat im Auftrag der Medienregulierungsbehörde erstmals eine umfangreiche, representative Studie zur Nutzung von Medien und Nachrichten bei der Generation der Digital Natives durchgeführt. Es zeigte sich, dass diese Generation der Digital Natives panische Angst vor der Langeweile hat, sich gern im Netz inszeniert und ist ihr eigener Programmchef sein möchte. Er sagt: „Der schlimmste Feind einer Erlebnisgesellschaft ist die Langeweile. Das ist Zeitverschwendung, da geht qualitativ hochwertige Lebenszeit verloren. Die Ruhe und die Gelassenheit, die Ereignislosigkeit ist das Fürchterlichste überhaupt und muss sofort ausgelöscht werden. Wenn sich nichts ereignet, sind die Jugendlichen melancholisch. Langeweile ist rufschädigend.“ Daher werden oft gleich mehrere Medien gemeinsam konsumiert, oberflächlich, schnell, nirgendwo in die Tiefe gehend. „Wenn junge Menschen mit einem Medium nicht genügend ausgelastet sind – da ist dann der Fernseher eingeschaltet und die Spielkonsole, im Hintergrund läuft Musik, und das Smartphone liegt griffbereit.“


    Wenn der Schlaf der Höhepunkt der körperlichen Entspannung ist, so die Langeweile der geistigen. Die Langeweile ist der Traumvogel, der das Ei der Erfahrung ausbrütet. Das Rascheln im Blätterwalde vertreibt ihn. Seine Nester – die Tätigkeiten, die sich innig der Langeweile verbinden – sind in den Städten schon ausgestorben, verfallen auch auf dem Lande. Damit verliert sich die Gabe des Lauschens, und es verschwindet die Gemeinschaft der Lauschenden. Langeweile haben wir, wenn wir nicht wissen, worauf wir warten. Daß wir es wissen oder zu wissen glauben, das ist fast immer nichts als der Ausdruck unserer Seichtheit oder Zerfahrenheit. Die Langeweile ist die Schwelle zu großen Taten. Langeweile ist ein warmes graues Tuch, das innen mit dem glühendsten, farbigsten Seidenfutter ausgeschlagen ist. In dieses Tuch wickeln wir uns wenn wir träumen. Dann sind wir in den Arabesken seines Futters zuhause.
    Walter Benjamin



    Literatur

    OÖN vom 7. Dezember 2018


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