Erwachsene wenden ihren Blick bei der Beantwortung einer Frage oft automatisch ab, um Unwichtiges auszublenden und so besser nachdenken zu können. Kinder müssen diese Strategie des Wegschauens erst erlernen. In einer englischen Studie wurde eine Gruppe von Fünfjährigen darauf trainiert, ihr Gegenüber bei der Lösung einer Kopfrechnung bewusst nicht anzusehen. Die Wahrscheinlichkeit eines korrekten Ergebnisses erhöhte sich gegenüber einer Kontrollgruppe deutlich. Bei Experimenten mit Erwachsenen stellten die Forscher Ähnliches fest. Wurden die Versuchsteilnehmer jedoch gebeten, zum Beispiel in Siebener-Schritten von 100 rückwärts zu zählen und dabei in ein menschliches Gesicht zu schauen, kam es häufig zu Stressreaktionen. Die Anstrengung von gleichzeitiger Konzentration auf Aufgabe und Gesicht brachte die Probanden ins Schwitzen, vor allem Männer, wenn sie während des Rechnens eine Frau ansehen mussten. LehrerInnen sollten besonders VolksschülerInnen daher bei der Beantwortung einer Frage ermutigen wegzuschauen.
Literatur
Phelps, Fiona G., Doherty-Sneddon, Gwyneth, Warnock, Hannah (2006). Helping children think: Gaze aversion and teaching. British Journal of Developmental Psychology, Volume 24, Number 3, September, pp. 577-588.
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In Untersuchungen über die vom NLP immer wieder behaupteten Repräsentationssysteme wurde diese Theorie der Augenbewegungen widerlegt, denn was die Augen zeigten, stimmte nur in seltenen Fällen mit dem überein, was die Sprache angeblich verriet. Allerdings hielten Klienten Therapeuten für vertrauenswürdiger, wenn diese nach NLP-Art ihre Sprache auf das vermeintliche Repräsentationssystem abstimmten, d.h., dass im Zuge der Beschäftigung mit NLP eine Art Konditionierung stattgefunden hat. Wenn Therapeuten nun gezielt ein anderes Repräsentationssystem benutzten, fassten die Klienten ebenfalls Vertrauen. Offenbar gefiel es ihnen, dass die Therapeuten überhaupt auf sie eingingen – in der Psychologie als Hawthorne-Effekt bekannt.
Ich weiß, Psychologen haben mit NLP oft nicht so viel am Hut, aber trotzdem: Dort wird gesagt, dass sich die Augen beim Sprechen unwillkürlich bewegen, und zwar nach rechts bzw links oben, wenn wir uns visuell an etwas erinnern. Demzufolge würde das heißen, dass wir den Prüfer zumindest kurzfristig immer wieder nicht ansehen. Was obige Erkenntnis stützt. In ganz simplen NLP-Übungen wird das auch immer demonstriert: Man lässt sein Gegenüber eine Geschichte (zB vom letzten Urlaub) erzählen und kann das prima beobachten.
Übrigens funktioniert die Wahrnehmung von Gesichtern anders als die von anderen Objekten. Das Gehirn besitzt eine Gehirnregion hinter dem Ohr namens „fusiforme face area“ (FFA), die ein Gesicht im Ganzen erkennt und es nicht aus den wahrgenommenen Einzelteilen zusammensetzt. Ist diese Region geschädigt, haben die Betroffenen große Schwierigkeiten, Gesichter zu erkennen. Die FFA dient als eine Art Gesichtsdetektor und nimmt gleich das ganze Gesicht als solches wahr. Diese Art der Verarbeitung wird übrigens nicht auf andere Objekte übertragen, auch wenn diese ähnlich dargestellt sind wie Gesichter.
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