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Die neuronale Entwicklung der visuellen Kategorienbildung

    Die visuelle Kategorisierung ist eine kognitive Kernfähigkeit des Menschen, die von der Entwicklung visueller Kategoriedarstellungen im kindlichen Gehirn abhängt. Die genaue Beschaffenheit der visuellen Kategoriedarstellungen von Säuglingen und ihre Beziehung zur entsprechenden Form im Erwachsenenalter sind jedoch weitgehend unbekannt.
    Daher haben Xie et al. (2022) versucht, die Art der visuellen Kategoriedarstellungen anhand von Elektroenzephalographie-Daten von sechs- bis acht-monatigen Säuglingen und ihren Entwicklungspfad hin zur Erwachsenenreife in Bezug auf die Schlüsselmerkmale der zeitlichen Dynamik, Darstellungsformate und spektralen Eigenschaften zu klären. Dafür wurde die Gehirnaktivität von Babys im Alter zwischen sechs und acht Monaten aufgezeichnet, während sie sich über hundert Bilder von Menschen, Spielzeugen und Häusern anschauten, wobei zum Vergleich eine Gruppe von Erwachsenen dieselben Bilder betrachten mussten.
    Die zeitliche Dynamik änderte sich dabei von langsam entstehenden, sich entwickelnden Darstellungen bei Säuglingen zu schnell entstehenden, komplexen Darstellungen bei Erwachsenen, doch trotz dieser Unterschiede haben Säuglinge und Erwachsene bereits teilweise gemeinsame visuelle Kategorienrepräsentationen. Man konnte nämlich beobachten, dass Babys die verschiedenen Bilder bereits in Kategorien wie Gesichter und Spielzeuge einordnen konnten, doch waren sie dabei deutlich weniger präzise und sehr viel langsamer als die Erwachsenen. Die langsamere Informationsweiterleitung im kindlichen Gehirn dürfte vermutlich mit den noch nicht ausgereiften Verbindungen zwischen den Gehirnarealen zusammenhängen, wobei sich die Myelinschicht, die im erwachsenen Gehirn für eine beschleunigte Weiterleitung sorgt, sich nach der Geburt erst noch ausbildet.
    Das Format der Repräsentationen von Säuglingen bestand also aus visuellen Merkmalen von geringer bis mittlerer Komplexität, während die Repräsentationen von Erwachsenen auch hochkomplexe Merkmale kodierten. Die Aktivität des Theta-Bandes – also deutlich langsamere Frequenzen – trug dabei zu den visuellen Kategorienrepräsentationen von Säuglingen bei, während diese Repräsentationen bei Erwachsenen in das schnellere Alpha/Beta-Band verlagert wurden. Computermodelle zeigten auch, dass die Wahrnehmungsprozesse bei Babys vorwiegend von grundlegenden Eigenschaften der Bilder geprägt waren, etwa Helligkeit und Kanten, während bei Erwachsenen komplexere Aspekte wie etwa Formen eine größere Rolle spielten.
    Obwohl sich also die entwicklungsbedingten neuronalen Grundlagen der visuellen Kategorisierung beim Menschen im Laufe der Entwicklung deutliich verändern, scheinen Babys verschiedene Arten von Objekten schon ganz ähnlich wie Erwachsene wahrzunehmen bzw. in Kategorien einzuordnen.



    Literatur

    Xie, Siying, Hoehl, Stefanie, Moeskops, Merle, Kayhan, Ezgi, Kliesch, Christian, Turtleton, Bert, Köster, Moritz & Cichy, Radoslaw M. (2022). Visual category representations in the infant brain. Current Biology, doi:10.1016/j.cub.2022.11.016.
    https://medienportal.univie.ac.at/media/aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/artikel/die-welt-mit-baby-augen-sehen/ (22-12-01)


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