Es wird oft behauptet, dass Musikausbildung die kognitiven Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen verbessert, doch lassen Forschungen über den Transfer von solchen Kompetenzen jedoch eher vermuten, dass dieser Transfer von Fähigkeiten nur selten stattfindet. Sala & Gobet (2017) haben in einer Meta-Analyse die verfügbaren experimentellen Belege für den Einfluss der Musikausbildung auf die kognitiven Kompetenzen und die Studierfähigkeiten von Kindern und Jugendlichen untersucht. Dabei zeigte sich eine eher geringe Gesamteffektgröße, etwas größere Effektgrößen fand man im Hinblick auf Intelligenz und gedächtnisbezogene Fähigkeiten bzw. eine umgekehrte Beziehung zwischen der Größe der Effekte und der methodischen Qualität des jeweiligen Studiendesigns.
Vor allem Untersuchungen mit qualitativ hochwertigem Design zeigten keinen Einfluss, denn bei diesen wurden Kontrollgruppen verwendet, also Kinder, die keine Musik lernten übten stattdessen andere Fertigkeiten wie Tanz oder einen Sport. Kleinere Effekte wurden demnach nur bei Studien entdeckt, die keine solchen Kontrollgruppen enthielten.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Musiktraining die kognitiven oder akademischen Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen nicht generell verbessert, und dass frühere positive Ergebnisse wahrscheinlich auf andere Variablen zurückzuführen sind. Dennoch kann Musikunterricht für Kinder von Vorteil sein, denn dabei werden etwa auch soziale Fähigkeiten oder das Selbstwertgefühl verbessert, wobei manche Elemente der Musik wie die Notation durchaus das Lernen in anderen Disziplinen wie Mathematik erleichtern kann.
Nussbaum & Schweinberger (2021) haben Studien ausgewertet, die sich entweder mit der stimmlichen Emotionswahrnehmung bei Musikern und Nichtmusikern, mit der stimmlichen Emotionswahrnehmung bei Menschen mit angeborener Amusie, mit der Rolle individueller Unterschiede wie musikalischer Interessen, psychoakustischer Fähigkeiten oder mit den Auswirkungen musikalischer Trainingsmaßnahmen sowohl auf die normalhörende Bevölkerung als auch auf Cochlea-Implantat-Träger befassten. Insgesamt deuten die Erkenntnisse darauf hin, dass Musikalität tatsächlich mit einer besseren Leistung bei der Wahrnehmung stimmlicher Emotionen verbunden ist. Da eine adäquate Wahrnehmung stimmlicher Emotionen eine Grundvoraussetzung für die alltägliche soziale Interaktion ist, können diese Ergebnisse auch der vermuteten Bedeutung von Musik und musikalischer Bildung für die persönliche Entwicklung und Lebensqualität mehr Gewicht verleihen. Parallelen zwischen der Stimme und Musik, etwa die Tonhöhe, Klangfarbe, Geschwindigkeit und Lautstärke, könnten eine Erklärung dafür sein, dass Musizierende Emotionen in der Stimme besser wahrnehmen als unmusikalische Menschen. Musikalisches Training kann daher eine vielversprechende ergänzende Intervention für Menschen darstellen, die Probleme mit der Wahrnehmung stimmlicher Emotionen haben. Es kann mit einigem Recht vermutet werden, dass verschiedene natürliche Faktoren und die Erziehung zu Fähigkeiten der Emotionswahrnehmung in den Bereichen Stimme und Musik beitragen.
Literatur
Nussbaum, Christine & Schweinberger, Stefan R. (2021). Links Between Musicality and Vocal Emotion Perception. Emotion Review, 13, 211-224.
Sala, Giovanni & Gobet, Fernand (2017). When the music’s over. Does music skill transfer to children’s and young adolescents‘ cognitive and academic skills? A meta-analysis. Educational Research Review, 20, 55-67.
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