Zum Inhalt springen

Gefahren im Psychomarkt

    Nach Ansicht von Karin Daecke (2019) verursacht die transpersonale Psychotherapie im Psychomarkt eher eine Spaltung der Persönlichkeit und eine Konditionierung zur Unterordnung, wobei die Risiken für die psychische Gesundheit Betroffener hoch sind. Ideologiebildungen autoritärer Gesellschaftsstrukturen stehen oft im Hintergrund und viele auch wissenschaftlich gebildete TherapeutInnen lassen sich auf das florierende Geschäft ein. Daecke berichtet, dass immer mehr esoterisch spirituell bzw. transpersonal psychologisch involvierte Menschen in ihre Praxis kommen, bei denen die neurotischen und narzisstischen Kontaktstörungen bzw. Abwehrsymptome oft spirituell-esoterisch ausgestaltet und verfestigt waren. Der Psychomarkt fordert für KlientInnen wie TherapeutInnen fünf maßgebliche Entwicklungsstufen:

    • Initiatischer Identitätsaufbruch (Überflutungs-/Umwertungserfahrungen, Auflösung der Ichgrenzen),
    • Dualistisch aufspaltende Vereinnahmung (Ratio-/partieller Selbstverlust: Selbst-Spaltung, Metawelt- und Ideal-Fixierung),
    • Identifikation mit spirituellen LehrerInnen und ihren Lehr
    • Introjektion der Neuausrichtung auf leiblicher, emotionaler, intellektueller Ebene und in den Bereichen von Wahrnehmen, Zuordnen, Verarbeiten, Verstehen von allem, was in einem selbst, im sozialen Beziehungsfeld und in der Welt geschieht,
    • Rollenübernahme in der spirituellen Mission im eigenen Lebensfeld.

    Diese Entwicklungsstufen spalten die Persönlichkeit nachhaltig gemäß den dualistischen Evolutions-, Ordnungs- und Einheitsprinzipien der Theosophie auf allen genannten Ebenen, wodurch sich infolge dieser Entwicklung in der therapeutischen Beziehung große Abhängigkeiten mit einem problematischem Machtgefälle und narzisstischer Psychodynamik auf beiden Seiten bilden, die bis in die Übertragungs- bzw. Gegenübertragungsprozesse hineinwirken. In Gruppenkontexten nehmen solche spirituellen Entgrenzungsprozesse und Idealfixierungen zu, was zu problematischen Gruppendynamiken mit Ausblenden, Abspalten und Auslagern wertmindernder Selbstanteile an Andere führt. Die mühsam errungenen Funktionen der Autonomieentwicklung verlieren dabei an Wert, regressive Tendenzen werden gefördert und nehmen zu. Die Rollen von TherapeutInnen und spirituellen LehrerInnen verschwimmen und aus KlientInnen werden SchülerInnen, Adepten, wobei die Verantwortung beiderseits zunehmend auf eine göttlich numinose Führungsebene auslagerbar wird, der man vermeintlich nur vertrauen und folgen lernen muss, um eine Entwicklung zum Guten herbeizuführen. Dabei werden Führen und Folgen zu angestrebten Entwicklungszielen, was den Entwicklungsidealen rechter, autoritärer Bewegungstraditionen entspricht, und treten an die Stelle emanzipativer Entwicklungsziele wie Individuation/Autonomieentwicklung, Selbst-/Mitverantwortung, Selbst-/Mitbestimmung, Auseinandersetzungs-/Abgrenzungs- und Integrationsfähigkeit – alles Voraussetzungen für eine aktive Teilhabe am demokratischen Miteinander.



    Literatur

    Daecke, Karin (2019). Spiritualität und Psychotherapie – problematische Hintergründe, Verbindungen, Folgen. Psychologie + Gesellschaftskritik, 43, 11-51.


    Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl ::: Pädagogische Neuigkeiten für Psychologen :::