Wenn sich Menschen eine Abfolge von Zahlen merken müssen, dann gibt es eine Personengruppe, die das eher über die Aktivierung von neuralen Netzwerken tun, die für die Sprache verantwortlich sind, und eine andere Gruppe, bei der eher jene Areale im Gehirn aktiv sind, die für die numerische Verarbeitung verantwortlich zeichnen. Generell antworteten letztere Denktypen rascher auf die Aufgaben. Koten et al. (2009) untersuchten sowohl Zwillinge als auch „normale“ Geschwister mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRI), während diese verschiedene Aufgaben – solche, bei denen sie sich an bestimmte Zahlen erinnern mussten – lösten.
Beim Vergleich zwischen den genetisch identen eineiigen Zwillingen und normalen Geschwistern fand man klare statistische Beweise, dass die Zugehörigkeit zu einem der beiden Denktypen genetisch bedingt ist. Die Gene bestimmen also zwar nicht was wir denken, aber zumindest wie wir denken.
Ob Menschen als Einzelkinder oder mit Geschwistern aufwachsen, kann allerdings auch die Entwicklung des Gehirns beeinflussen, wobei die unterschiedliche Familiensituationen eine unterschiedliche strukturelle Entwicklung des kindlichen Gehirns bewirken können. Untersucht (Yang et al., 2017) wurden Studenten, die in einer Familie mit zwei Elternteilen aufgewachsen waren, wobei diese neben Gehirnspans auch Kreativitäts- und Intelligenztest und Persönlichkeitstest durchführen mussten. Es zeigten sich bei Volumenunterschiede der grauen Substanz im Gehirn, wobei diese bei Einzelkindern in jenem Bereich ausgeprägter war, der mit der Vorstellungskraft zusammenhängt, jedoch war sie schlechter in den Arealen entwickelt, der mit sozialem Verhalten in Verbindung steht. Einzelkinder schnitten bei Kreativitätstests besser ab, bei den Verhaltenstests hingegen schlechter.
Übrigens: In manchen Bereichen der Wissenschaft, auch in der Psychologie, hat man sich zu sehr auf die Gene konzentriert, da diese durch die Sequenzierung leichter untersuchbar waren als etwa ständig wechselnde Umweltbedingungen. Inzwischen weiß man aber, dass sich nicht nur die Gehirne von Kindern und Jugendlichen noch verändern, sondern auch die Gehirne von Erwachsenen, etwa durch den Lebensstil, also die Art und Weise, wie sie leben.
Literatur
Koten, Jr., Jan Willem, Wood, Guilherme, Hagoort, Peter, Goebel, Rainer, Propping, Peter, Willmes, Klaus & Boomsma, Dorret I. (2009). Genetic Contribution to Variation in Cognitive Function: An fMRI Study in Twins. Science 27 March 2009 323: 1737-1740 [DOI: 10.1126/science.1167371]
Yang, J., Hou, X., Wei, D., Wang, K., , Li, Y. & Qiu, J. (2017). Only-child and non-only-child exhibit differences in creativity and agreeableness: evidence from behavioral and anatomical structural studies. Brain Imaging and Behavior, 11, 493–502.
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