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Geschlechtsrollenorientierung und Aufgabenverteilung in kinderlosen Partnerschaften

Kinder? Küche? Karriere?
Dringlichkeit des Kinderwunsches, Geschlechtsrollenorientierung und Aufgabenverteilung in kinderlosen Partnerschaften

Nach der Geburt des ersten Kindes findet bei jungen Eltern oft eine Veränderung der bisherigen Aufgabenverteilung in Beruf, Freizeit und Familie statt. Die Väter ziehen sich in der Phase der Schwangerschaft bis zur Geburt des Kindes immer mehr von Haushaltsaufgaben zurück, während die Frau sich intensiver um Tätigkeiten wie waschen, bügeln, putzen und kochen kümmert.
Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit der Tatsachen, in wie weit es bei kinderlosen Paaren, bei denen die (erhöhte) Dringlichkeit eines Kinderwunsches besteht, zu einer Traditionalisierung der Geschlechtsrollen kommt.
In den letzten Jahren hat das traditionelle Rollenbild der Frau, als „Hausfrau und Mutter“ und des Mannes, als „Ernährer“ eine starke Wendung vollbracht. In der Gesellschaft wird nun ein Ideal verfolgt, das die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Beruf und Familie ermöglicht.
Seit den 1970er Jahren hat sich diese Rollenverteilung durch die bessere Ausbildung der Frau stark verändert, was aber auch dazu führt, dass sich die „heutige“ Frau Gedanken über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf machen muss.
Ein aktuelles Thema über, das sich die werdenden Eltern auch Gedanken machen, ist wann die biologische Uhr der Frau abläuft. Daher werden immer mehr Strategien eingesetzt um die Umwelt in Einklang mit dem angestrebten Ziel zu bringen.
„In der nicht, bzw. wenig, dringlichen Phase des Kinderwunsches besteht eine Funktionalität bei der Verwendung von selektiven primären und sekundären Kontrollstrategien, wobei sich die selektive primäre Kontrolle auf Verhaltensressourcen, wie Aufwand und Zeit, bezieht. Die selektive sekundäre Kontrolle charakterisiert die volitionale Selbstregulation in Hinblick auf das Ziel Elternschaft. In der Dringlichkeitsphase nehmen selektive primäre und sekundäre Kontrollstrategien weiter zu, wobei nun auch kompensatorische primäre Kontrollstrategien an Bedeutung gewinnen. Diese werden aktiviert, wenn die internalen Ressourcen für die Zielerreichung Elternschaft unzureichend erscheinen“ (vgl. J. Lamprecht 2008, S. 114).

Studie
Die Untersuchung der 40 Paare verfolgt drei Ziele:

  • Zum ersten will man aufzeigen, in wie fern sich Paare, je nach der Dringlichkeit des Kinderwunsches in ihren Geschlechtsrollenorientierungen unterscheiden.
  • Zweitens will man testen, wie sich die Aufgaben in Haushalt, Beruf und Familien aufteilen.
  • Drittens soll ermittelt werden in wie fern sich die Dringlichkeit des Kinderwunsches auf entwicklungsregulative Strategien der primären und sekundären Kontrolle auswirken.

Die ausgewählten Paare im Großraum Halle/Leipzig wurden einzeln durch einen Fragebogen am Computer befragt und benötigten durchschnittlich 90 Minuten. Die Partner durften sich kurz beraten und beantworteten den Fragebogen jedoch getrennt. Die Paare wurden in Gruppen aufgeteilt, je nach dem viel stark der Kinderwunsch vorhanden ist. Der Durchschnitt ergab, dass die Paare seit 7 Jahren zusammen sind, seit 5 Jahren gemeinsam in einem Haushalt leben und fast die Hälfte der Befragten einen Hochschulabschluss hat.
Die erste Auswertung ergab, dass die befristet Kinderlosen und die Paare mit einem mittelstarken Kinderwunsch jünger als die anderen Untersuchungsgruppen, außerdem wird deutlich, dass die Paare mit dringlichem Kinderwunsch häufiger verheiratet sind (vgl. J. Lamprecht 2008, S. 115f).
Kinderwunschmotive
Es wird auch auf die Kinderwunschmotive eingegangen, also warum sich die Paare Kinder wünschen und welchen Lebenswandel sie sich dadurch erhoffen. Diese Untersuchung wird wiederum in folgende Subskalen eingeteilt:

  • Emotionale Stabilisierung und Sinnfindung („Ein Kind gibt meinem Leben einen Sinn“)
  • Persönlichen Einschränkung und Probleme („Ich bin zu ungeduldig um ein Kind zu erziehen“)
  • Soziale Anerkennung und Identitätsbildung („Kinderlosigkeit bedeutet gesellschaftliche Abwertung“)
  • Unzureichende materielle und soziale Unterstützung („Es fehlt die nötige staatliche Unterstützung für die Familie“) (vgl. J. Lamprecht 2008, S. 117f)

Aufgabenverteilung
Die nächste Befragung beschäftigt sich mit der Aufgabenverteilung im Haushalt. Dabei will man wissen wie viel Zeit der Mann und die Frau in Produktions- und Reproduktionsarbeiten investiert. Der Bereich Reproduktionsarbeit wurde in Haushalt und Freizeit unterteilt. Zum Haushalt zählen unter anderem „Mahlzeit zubereiten“, „Aufräumen und Putzen“und „Handwerklichen Tätigkeiten“. Der Bereich Freizeit wurde in „Freizeit mit dem Partner“, „Freizeit ohne Partner“ und „Freizeit allein“ unterteilt. Die Auswertung zeigt zwei signifikante Unterschiede in der Aufgabenverteilung: Der Mann beteiligt sich mehr in dem Bereich „Handwerkliche Tätigkeiten“ als die Frau und umgekehrt beschäftigt sich die Frau mehr mit „Aufräumen, Putzen, Waschen, Bügeln“. (vgl. J. Lamprecht 2008, S. 117)

Entwicklungsregulative Kontrollstrategien
Dabei wurden die Kontrollstrategien in drei Gruppen unterteilt:

  • selektive primäre Kontrolle („Ich lasse nichts unversucht um Kinder zu bekommen“)
  • kompensatorische primäre Kontrolle („Wenn es schwierig wir meinen Kinderwunsch zu erfüllen, suche ich Hilfe bei anderen“)
  • selektive sekundäre Kontrolle („Ich stelle mir oft vor, wie gut ich mich fühlen werde, wenn ich ein zweites Kind bekomme“) (vgl. J. Lamprecht 2008, S. 117f)

Bei dieser Auswertung wurden die motiviert kinderlosen Paare ausgeschlossen, da es für die Studie nicht sinnvoll erscheint. Es konnten bei den drei befragten Gruppen signifikante Unterschiede festgestellt werden. Eine Tatsache die wenig überraschend ist, ist dass Paare mit hohem und mittelstarkem Kinderwunsch mehr Zeit und Aufwand in das Ziel der Elternschaft investieren als kinderlose Paare. Je mehr sich Paare Kinder wünschen, desto höher ist die Zunahme an primären und sekundären selektiven Kontrollstrategien (vgl. J. Lamprecht 2008, S. 118f)

Grenzen der Studie
Zu beachten ist bei der Studie, dass nur eine kleine Stichprobe genommen wurde und jede Untersuchungszelle nur aus 10 Paaren bestand. Außerdem stellt sich die Frage ob sich bei kinderlose Paare überhaupt eine zeitliche Entwicklung erstellen lässt, weil man die Zukunftspläne nicht kennt. „Für Folgestudien lässt sich hier beispielsweise die Frage aufwerfen, welche paarspezifischen Einflussgrößen und damit auch welche beziehungsregulativen Mechanismen den Kinderwunsch der Frau und des Mannes beeinflussen. Eine längsschnittliche Betrachtung der Paare verspricht zudem weitere Erkenntnisse“ (vgl. J. Lamprecht 2008, S. 122).

Verändert die Geburt eines Kindes langfristig die Persönlichkeit der Eltern?

In Übereinstimmung mit dem Prinzip der sozialen Investition sollte die Elternschaft zu einem reiferen Verhalten und einer Zunahme von Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und emotionaler Stabilität bei den Eltern führen, doch haben frühere Untersuchungen auch Ergebnisse geliefert, die diese Annahme nicht unterstützen. Asselmann & Specht (2020) haben anhand der Daten einer national repräsentativen Haushaltspanelstudie aus Deutschland untersucht, ob Elternschaft in irgendeiner Form mit der Persönlichkeitsreifung zusammenhängt. In diesen Daten wurde jährlich erfasst, ob ein Kind geboren wurde, die Persönlichkeitsmerkmale der Big Five wurden in vier Wellen von 2005 bis 2017 erhoben. Mit Hilfe einer Mehrebenenanalyse wurde untersucht, ob sich dabei die Persönlichkeit von Menschen, die Eltern werden oder nicht werden, unterscheidet, bzw. ob sich die Persönlichkeit vor und nach der Elternschaft unterscheidet und ob diese Effekte nach Geschlecht, Alter und Lebensstand variieren.

Insgesamt zeigte sich, dass weniger offene und extravertierte Menschen eher eine Familie gründen, wobei Offenheit und Extravertiertheit nach dem Übergang zur Elternschaft abnahmen. Das liegt wohl daran, dass Eltern nicht mehr so viel Zeit dafür aufwenden, sich mit neuen Dingen zu beschäftigen oder Freunde zu treffen. Wer allerdings vorher wenig gewissenhaft war blieb es also auch, was auch für die Merkmale Verträglichkeit und Neurotizismus gilt. Bei der Differenzierung nach Altersgruppen zeigte sich, dass junge Eltern bis 23 Jahr im ersten Jahr der Elternschaft tatsächlich deutlich gewissenhafter wurden als zuvor, während Eltern zwischen 24 und 35 Jahren die Veränderung weniger einschneidend war, und Eltern ab 36 Jahre hingegen waren im ersten Jahr nach der Geburt weniger gewissenhaft, dafür aber emotional stabiler als zuvor. Männer wurden im Vergleich zu Frauen durch die Elternschaft weniger offen, extravertiert und umgänglich, dafür jedoch emotional stabiler. Mütter verbringen offenbar im Durchschnitt viel Zeit mit ihrem Kind zu Hause, begegnen ihm auf einfühlsame und warmherzige Weise und verhalten sich daher generell einfühlender. Im Gegensatz dazu können Väter sich womöglich verantwortlich fühlen für den Lebensunterhalt ihrer Familie aufzukommen, härter zu arbeiten und zuverlässiger zu agieren, um Familie und Karriere gleichzeitig zu bewältigen. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass sich die Persönlichkeitsmerkmale der Big Five vor und während des Übergangs zur Elternschaft unterscheiden.

Literatur

Asselmann, Eva & Specht, Jule (2020). Testing the Social Investment Principle Around Childbirth: Little Evidence for Personality Maturation Before and After Becoming a Parent. European Journal of Personality, doi: 10.1002/per.2269.
Lamprecht J., Wagner J., Lang F. (2008). Kinder? Küche? Karriere?- Dringlichkeit des Kinderwunsches, Geschlechtsrollenorientierung und Aufgabenverteilung in kinderlosen Partnerschaften. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 40, 112-123




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