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Schulisches Leistungsfeedback

    Identitätsbedrohung durch positives schulisches Leistungsfeedback
    Die Erledigung von Entwicklungsaufgaben im Konflikt mit schulischem Engagement

    In der pädagogischen Ausbildung wird immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, Schüler mit Lob und positivem Feedback zu motivieren. Unter gewissen Umständen kann dies, seitens der Jugendlichen, aber als Bedrohung wichtiger Identitätsaspekten, wie zum Beispiel Distanzierung zur Lehrperson oder „geschlechtsbezogene“ Interessen, wahrgenommen werden. Nachfolgend werden zwei Studien untersuchen, ob positives Leistungsfeedback, wegen einer Zuschreibung an einer Abhängigkeit von Lehrern (Studie 1) oder aus Nichtübereinstimmen mit einem geschlechterspezifischen Interesse (Studie 2), zurückgewiesen wird (vgl. Kessels et al. 2008, S. 22f).

    Studie 1
    Methode und Ablauf der Untersuchung
    ⇒    132 SchülerInnen aus fünf achten Klassen einer Berliner Gesamtschule
    ⇒    davon 65 SchülerInnen als Beobachter
    ⇒    Durchschnittsalter 14,8 Jahre
    Die SchülerInnen bekamen einen Test, deren Inhalt nicht zu einem bestimmten Unterrichtsfach zuordenbar ist. Nach Abgabe der Tests verließen die Versuchsleiter mit den Tests das Klassenzimmer, um eine Auswertung vorzutäuschen. Jedoch wurden sie nach dem Geschlecht sortiert und zwei Gruppen gebildet. Die SchülerInnen der Gruppe 1 bekamen als Feedback:“Du hast sehr vieles richtig; du hast die Aufgaben sehr gut und sehr clever gelöst“. Die SchülerInnen der Gruppe 2 „Du hast sehr vieles richtig; du hast die Aufgaben sehr gut und sehr clever gelöst. Du bist sicher ein/e SchülerIn, auf den/die deine Lehrer richtig stolz sind“. Als den getesteten SchülerInnen ihr Feedback übermittelt wurde, wurden sie von BeobachtungsschülerInnen beobachtet (vgl. Kessels et al. 2008, S. 24f).
    Ergebnisse
    Nach der Unterstellung, ein/e SchülerIn zu sein, auf den/die die Lehrer richtig stolz sein können, wurde seitens der SchülerInnen angegeben weniger Zeit mit Hausübungen zu verbringen, als wenn den SchülerInnen nur das sehr positive Leistungsfeedback übermittelt wurde. Die Leistungen wurden aufgrund der unterstellten Nähe zu Lehrern hinunter gespielt (vgl. Kessels et al. 2008, S. 25).

    Studie 2
    Methode und Ablauf der Untersuchung (vgl. Kessels et al. 2008, S. 25f).
    ⇒    143 SchülerInnen (72 Mädchen, 71 Jungen) getestet.
    ⇒    Sechs allgemeine Physikaufgaben, leicht für SchülerInnen dieser Altersstufe lösbar.
    ⇒    Zwei mögliche Feedbackrückmeldungen, erste („Physiktalent“, berufliche Zukunft denkbar), zweite (durchschnittliche Physikbegabung, keine Empfehlung, ob beruflich eingeschlagen werden soll).
    ⇒    Nach erhaltenem Feedback mussten die Testschüler bei 20 Zeitschriftenartikel mit Schulnotensystem angeben, wie gern sie diesen Artikel lesen würden. (Zehn Physik relevante Überschriften + zehn, je nach Geschlecht, auf typisch männliche bzw. weibliche Interessen abgestimmte Inhalte).

    Ergebnisse
    Jungen, denen ein „Physiktalent“ als Feedback gegeben wurde, interessierten sich demnach mehr für physikrelevante Zeitungsartikel, als Jungen, denen eine durchschnittliche Physikbegabung mitgeteilt wurde. Bei den Mädchen war dieses Reaktionsmuster nicht zu erkennen. Egal ob sie „Physiktalent“ oder durchschnittliche Physikbegabung als Feedback erhielten, war das nachfolgende Zeitschrifteninteresse an Physikthemen gleich hoch/gering, somit konnte hier kein Unterschied, hervorgerufen vom Feedback, festgestellt werden (vgl. Kessels et al. 2008, S. 27f).

    Schlussfolgerungen
    ⇒    In der pubertären Entwicklung der eigenen Identität können Jugendliche, für Erwachsene normale, „Selbstkonzept-Verteidigungsstrategien“ noch nicht einsetzen, da die eigene Persönlichkeit noch zu instabil erscheint.
    ⇒    Um Differenzen zwischen einem Jugendlichen und der Peergruppe zu vermeiden, sollten Lehrer darauf verzichten Stolz auf einzelne Jugendliche bzw. Gruppen zum Ausdruck zu bringen, um deren Unabhängigkeit und Distanz zur Lehrperson nicht zu untergraben.
    ⇒    Für Pädagogen ist es wichtig, dass gute Schulleistungen niemals aufgrund der Nähe vom Schüler zur Lehrperson (Lieblingsschüler) rück zu führen sein dürfen. Vielmehr sollten positive Schulleistungen auf eine Art und Weise kommuniziert werden, in der eine gewisse Distanz und Unabhängigkeit gewahrt werden kann.



    Literatur
    Kessels, U., Warner, L. M., Holle, J. & Hannover, B. (2008). Identitätsbedrohung durch positives schulisches Leistungsfeedback. Die Erledigung von Entwicklungsaufgaben im Konflikt mit schulischem Engagement. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 40, 22-31.


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