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Angstabwehrmechanismen

    Bei Angstabwehrmechanismen handelt es sich um eine organisierte Abwehr des Ich gegen Angst. Angst ist sowohl eine starke als auch eine überwiegende negativ empfundene Emotion. Angst ist notwendig zur Bewältigung von Gefahren, aber zu viel Angst wirkt lähmend und kann damit genau diese Bewältigung verhindern. Deswegen muss es eine Methode geben, zu viel Angst zu kompensieren, auszugleichen oder „wegzudrücken“. Neuere Studien haben auch gezeigt, dass Erinnerungen im Langzeitgedächtnis, die unter hoher Erregung, wie etwa in stressreichen oder angstbesetzten Situationen, entstanden sind, häufig wenig in den unmittelbaren Kontext eingebettet werden und Ereignisse weniger detailreich abbilden. Dieser Umstand macht aber auch Fehlerinnerungen wahrscheinlicher und es ist für Menschen schwer zu unterscheiden, ob eine neue Situation ähnlich einer erinnerten Situation und deshalb vielleicht gefährlich ist. Es gibt bis zu einem gewissen Grad ein optimales Angstniveau, das dem Gedächtnis sogar hilft, sich an Vergangenes zu erinnern, insbesondere an Situationen, in denen man Gefahren ausgesetzt war. Allerdings kann zu große Angst Menschen auch dazu bringen, Erinnerungen nachträglich zu verändern, denn Menschen mit einer großen Ängstlichkeit entwickeln mit der Zeit eine erhöhte Sensibilität auf die Einflüsse des emotionalen Kontexts ihrer Erinnerungen, sodass aktuelle neutrale Informationen durch dieses Gefühl stark eingefärbt werden, mit dem sie damals in Verbindung standen, sodass die Art und Weise beeinflusst wird, wie man gerade das aktuelle Umfeld sieht. Studien zeigen auch, dass Angst häufig in Aggression umgewandelt wird, vor allem wenn Menschen die Schuld an den Umständen bei anderen suchen und weniger glauben, dass sie sich selbst ändern sollten, um der Angst zu begegnen. Um konstruktiv mit einem solchen emotionalen Ausnahmezustand umgehen zu können, ist es vordringlich hilfreich, seine Gefühle bewusst wahrzunehmen und zuzulassen.

    Kontextinformationen sind unter anderem deshalb notwendig, um sich selbst und Ereignisse in Raum und Zeit zu verorten, daher ist es für Menschen in emotionaler Erregung mit Problemen verbunden, Kontextinformationen zu erfassen, was auch Auswirkungen auf unmittelbare Entscheidungen hat, aber auch auf das Verhalten in der erregenden Situation und die Erinnerung daran. Offenbar haben solche emotionalen Situationen Auswirkungen auch auf die Abläufe im Gehirn, die diesen Gedächtnisleistungen zugrunde liegen. Bekanntlich ist der Hippocampus als ein für die Gedächtnisbildung wichtiges Gehirnareal auch stark am Erlernen und Rekonstruieren von räumlichen und zeitlichen Details beteiligt, sodass eine Hemmung dieser Funktionen im Gehirn angesichts einer potenziell gefährlichen Situation das Gehirn davon abhält, den Kontext einer Situation voll zu erschließen und sich diesen einzuprägen.

    Folgende Methoden der Systematisierung von Angstabwehrmechanismen sind nach Anna Freud bekannt:

    • Rationalisierung: Damit bezeichnet man das nachträgliche Begründen einer Handlung durch die Vernunft, obwohl der ursprüngliche Grund ein ganz anderer (meist unbewusster Art) war. Dies wird bei dem Hypnose-Beispiel weiter oben besonders deutlich, hier wurde das Mittel der Rationalisierung benutzt, um das eigene Verhalten zu erklären. Denn zu handeln, ohne eine Erklärung dafür zu haben, löst unmittelbar Angst aus und unmittelbar das Bedürfnis, dafür eine plausible Erklärung zu haben [1].
    • Verdrängung (nicht im Sinne einer Triebunterdrückung): Verdrängung ähnelt sehr dem Vergessen. Vergessen geschieht jedoch passiv, Verdrängung ist aktiv: Teile der Erkenntnis des Ich werden in das Unterbewusstsein verschoben, also unterdrückt. Diese Unterdrückung wird aktiv aufrecht erhalten, kostet also permanent Energie – sonst kommt es zur „Wiederkehr des Verdrängten“ und damit zu Angst. Vergessen hingegen erfordert kaum Anstrengung.
    • Reaktionsbildung: Dies geschieht vor allem bei ambivalenten (= zwiespältigen) Haltungen, z. B. Zärtlichkeit und Zuneigung versus Grausamkeit und Sadismus. Da die letzteren Gefühlsregungen negativ sind und Angst auslösen, werden sie durch Überbetonung des Gegenteils z. B. gegenüber Tieren (die dann besonders geliebt werden) „im Zaum gehalten“ und die Regungen zu unterdrücken und damit gleichsam zu kontrollieren.
    • Isolierung (eines Affekts): Wenn zu einer Erinnerung aus der Vergangenheit eine sehr starke Emotion gehört, so kann man sich diese Erinnerung sehr viel leichter bewusst machen. Wenn diese Emotion schmerzhaft ist, dann kann diese von der Erinnerung „isoliert“ werden (Beispiel: jemand erzählt vom Tod seiner Mutter, empfindet dabei jedoch ’nichts‘). Dies kann auch durch eine Art „Black-out“ geschehen, einen kurzen Moment der Leere – damit wird dann der Impuls gleichsam isoliert, es gibt keine Assoziation zu der Emotion mehr.
    • Ungeschehenmachen: Eine Handlung oder ein Wunsch oder eine Fantasie wird durch eine spätere Handlung quasi „aufgehoben“. Das klassische Beispiel: Ein kleines Kind schlägt seinen Bruder und gibt im nachher einen Kuss – damit wird der Hass auf den Bruder „ungeschehen“ gemacht. So können sich wahre Rituale des Ungeschehenmachens herausbilden (Opferrituale z. B.).
    • Verleugnung: Dies geschieht im ursprünglichen Sinn durch Blockierung bestimmter Sinneseindrücke oder durch eine Uminterpretation der Realität. Die Blockierung wird meist durch eine Verringerung der Aufmerksamkeit erzielt, die Uminterpretation durch Fantasie. Bei Kindern finden wir dies oft in den sog. „Omnipotenzfantasien“, mit denen die eigene Schwäche verleugnet wird, z. B. der Vorstellung, Superman zu sein und daher keine Angst haben zu müssen.
    • Projektion (hier im engeren Sinne als oben verwendet): Eigene Wünsche oder Antriebe werden einer anderen Person oder sogar Gegenständen der Außenwelt zugeschrieben. Beispiel: Ein unter Verfolgungswahn leidender projiziert seine eigenen gewalttätigen Impulse nach außen und behauptet, der Geheimdienst oder Kommunisten oder Nachbarn oder Außerirdische etc. bedrohten sein Leben. Das ist ein Extrembeispiel, aber Projektion tritt auch bei „normalen“ Menschen auf. Besonders Vorurteile entspringen der Fantasie, wir neigen häufig dazu, eigene nicht akzeptierte Wünsche oder Impulse auf Minderheiten zu projizieren.
    • Wendung gegen das Selbst: Wenn eigene Impulse nicht nach außen gehen können, dann wird dieser Impuls gegen das eigene Selbst gerichtet, z. B. bei der Autoaggression: Ein Kind empfindet Zorn gegen jemanden, schlägt aber sich selbst, weil es nicht wagt, diesen Zorn der eigentlichen Zielperson gegenüber zu zeigen. Es identifiziert sich mit der Zielperson: „Ich bin er – und so werde ich ihn schlagen“!
    • Introjektion oder Einverleibung: Dies ähnelt sehr der Identifizierung. Man stellt sich (unbewusst) vor, die Person, mit der man sich identifiziert, aufzuessen oder von ihr aufgegessen zu werden. Weniger drastisch kann man auch die Meinung einer anderen Person durch Identifikation übernehmen, um so zu sein wie der Andere und damit z. B. aggressive Impulse „niederzuringen“.
    • Regression: Dies ist ein Rückfall in der Entwicklungsphase, wenn es auf der aktuellen Stufe zu Konflikten kommt. Ein typisches Beispiel: Ein älteres Kind nässt wieder ein, weil ein jüngeres Geschwisterkind geboren wurde, und es nicht mehr die gewünschte Aufmerksamkeit bekommt – dies geschieht meist unbewusst.

    Des weiteren kennt man in der Psychoanalyse noch

    • Kompensation: Schwäche wird durch Überbetonung eines erwünschten Charakterzuges verhüllt. Frustration auf einem Gebiet wird durch übermäßige Befriedigung des Bedürfnisses auf einem anderen Gebiet kompensiert.
    • Sublimierung: Nicht erfüllte sexuelle Bedürfnisse werden durch derartige Ersatzhandlungen befriedigt, die von der Gesellschaft akzeptiert sind.
    • Phantasie: Befriedigung frustrierter Wünsche durch Vorstellung ihrer imaginären Erfüllung (Tagträume u.ä.)
    • Rationalisierung: Man versucht sich dabei einzureden, dass das eigene Verhalten rational, d.h. verstandesmäßig begründet ist, um damit dieses Verhalten vor sich und anderen zu rechtfertigen.

    Angststörungen haben nach wissenschaftlichen Studien in den letzten Jahrzehnten zugenommen und gehören heute neben Depressionen jetzt zu den häufigsten psychischen Störungen.

    Quellen

    http://www.dittmar-online.net/religion/angstabwehr.html (08-02-02)
    https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/WISSENSCHAFTPSYCHOLOGIE/PsychoanalytischeSchulen.shtml (08-02-02)
    https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/news/?p=47 (08-08-01)




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