Zum Inhalt springen

Was ist eine Gruppe?

Im Alltagsleben wird häufig von Gruppen und Teams gesprochen, ohne sich Rechenschaft darüber abzulegen, was mit diesen Begriffen letztlich gemeint ist. Eine X-beliebige Ansammlung von Menschen ist noch keine Gruppe.
Hofstätter (1990) teilt ‚Menschen im Plural‘ in insgesamt sechs verschiedene Bereiche ein. Es sind dies die Menge, die Klasse, die Familie, die Gruppe, die Masse sowie der Verband.
Die Zusammenfassung von gleichartigen Elementen einer Grundgesamtheit bezeichnet Hofstätter als Klasse (z.B. Klasse der Wähler einer Partei), die aktivierte Klasse als Verband. Heute finden besonders in der Ökonomie die Begriffe „Interessengemeinschaft“ oder „pressure group“ anstelle von Verband häufige Verwendung. Treffen sich mehrere Menschen zufällig an einem bestimmten Ort, (z.B. an einer Bushaltestelle) so spricht Hofstätter von einer Menge, deren Bildung sich allein durch die räumlich Nähe der versammelten Individuen ergibt. Bei diesem bloß zufälligen Aufeinandertreffen entstehen noch keine Wechselbeziehungen, es sei denn, die Menge werde durch das Einwirken bestimmter äußerer Umstände (z.B. einer Bedrohung in Form eines Erdbebens, eines Unfalls etc.) zu gemeinschaftlichem Handeln bewegt. Es entsteht dann eine vielleicht panikartig flüchtende Masse im Sinne einer aktivierten Menge, in der sich noch kein ordnendes und verhaltensabstimmendes Rollengefüge ausformen konnte. Die Masse ist aus dieser Sicht eine relativ seltene, kurzzeitige Konfiguration vieler Menschen und zerfällt entweder zur Menge, wenn die aktivierende Ursache beseitigt ist, oder geht in die Gruppe über, sobald sich eine Rollenstruktur entwickelt. Von einer Gruppe kann gemäß Hofstätter also nur dann gesprochen werden, wenn ein Kollektiv durch eine interne Rollenstruktur eine dauerhafte Ausdifferenzierung erfährt.
Andere Akzente setzt Homans (1972), für den eine Gruppe im Grunde bereits dann gegeben ist, wenn eine überschaubare Personenmehrheit über eine längere Zeit in Interaktion steht. Seine Definition der Gruppe „als eine Reihe von Personen, die in einer bestimmten Zeitspanne häufig miteinander Umgang haben und deren Anzahl so gering ist, dass jede Person mit der anderen in Verbindung treten kann und zwar nicht nur mittelbar, sondern von Angesicht zu Angesicht“ (Homans 1972) betont die Dauerhaftigkeit (Persistenz) von Interaktionen im Sinne von face-to-face Beziehungen als primäres Bestimmungsmerkmal. Der Ausformung bestimmter Strukturen und Verhaltensrichtlinien kommt dabei nur abgeleitete Bedeutung zu.
Die Fülle von divergierenden Begriffsfassungen zum Gruppenphänomen offenbart eine große Vielzahl an Möglichkeiten, sich dem Forschungsgegenstand „Gruppe“ zu nähern. Grundlegende Uneinigkeit besteht vor allem darüber, wie restriktiv oder wie breit man das Erkenntnisobjekt handhaben soll.

Definitionsmerkmale Gruppe

  • Zugehörigkeitsgefühl (sich als Mitglied der Gruppe fühlen)
  • Soziale Struktur (Rollendifferenzierung innerhalb der Gruppe)
  • Geteilte Normen (bestimmte Normen werden von allen akzeptiert)
  • Interaktionsmöglichkeiten (Möglichkeit der Kommunikation untereinander)

Das Modell von Moreland & Levine (1982) unterscheidet zwischen der Suchphase, Sozialisationsphase, Erhaltungsphase, Resozialisationsphase und Erinnerungsphase. Getrennt davon wird zwischen vier Rollenübergängen unterschieden, in denen Veränderungen im gegenseitigen Beziehungsverhältnis zwischen Gruppe und dem einzelnen Mitglied stattfinden:
Aufnahme, Akzeptanz, Divergenz und Ausschluss. Besonders interessant für sozialpsychologische Forschungen ist die Phase der Gruppensozialisation, in der für die Gruppe und den Neuling das jeweilige Akzeptanzkriterium erreicht wird. Akzeptanz kann für beide Parteien nach Moreland & Levine (1989) über drei selbstbezogene und drei fremdbezogene Strategien erreicht werden.

Die drei selbstbezogenen Strategien sind:

  • Verringerung des eigenen Akzeptanzniveaus,
  • Veränderung der eigenen Erwartungen und
  • Veränderung des eigenen Verhaltens so, dass die andere Partei ihre Erwartungen eher erfüllt sieht.

Die fremdbezogenen Strategien bestehen aus:

  • Verringerung des Akzeptanzniveaus des Partners, indem man den Partner verunsichert bezüglich der Angemessenheit seines Akzeptanzniveaus oder indem man über Machtmittel verfügt (z. B. Informationen, Geld, Status), mit denen das Akzeptanzniveau verringert werden kann,
  • Veränderung der Partnererwartungen, so dass der Partner nicht mehr erwatet als man selbst zu leisten in der Lage und bereit ist und
  • Veränderungen des Partnerverhaltens, indem man z. B. Macht auf den Partner ausübt.

Diese Strategien zur Erreichung einer akzeptablen Gruppenmitgliedschaft können sowohl vom Individuum gegenüber der Gruppe wie auch von der Gruppe gegenüber dem Individuum angewandt werden. Die während der Sozialisationsphase von beiden Seiten gemachten Erfahrungen haben Auswirkungen auf den Einsatz geeigneter Strategien zur Erreichung des gewünschten Akzeptanzniveaus und die Art, wie die Partner zukünftig miteinander umgehen. Gruppen sind dynamische soziale Gebilde. Sie durchlaufen bestimmte Phasen, so dass eine Person, die einer Gruppe beitritt, diese in einer bestimmten Entwicklungsphase antrifft. Auch wenn davon auszugehen ist, dass verschieden Gruppen (z. B. problemlösungsorientierte Gruppen, Sensivity- Trainingsgruppen oder formale Arbeitsgruppen) recht unterschiedliche Entwicklungsphasen durchmachen, so kann doch meistens ein allgemeines Entwicklungsschema ausgemacht werden.




Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl ::: Pädagogische Neuigkeiten für Psychologen :::

Ein Gedanke zu „Was ist eine Gruppe?“

  1. Great article on groups and community. There is much truth to your statements of acceptance, expectation and behavior. Thank-you so much. Joe

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert