Ausgangssituation
Seit 1991 wurden an der Universität Linz Daten gesammelt, um die Bedingungen des Studienabbruchs zu klären. In diesem Zusammenhang wurden Cox-Regressionsanalysen, Strukturvergleichsmodelle und Mehrebenen-Analysen verwendet (vgl. Brandstätter, Grillich & Farthofer 2006, S. 121).
Ein Studium gilt dann als abgebrochen, wenn jemand ein Universitätsstudium ganz aufgibt und dies (in überschaubarer Zeit) auch nicht wieder aufnimmt. Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit für einen späteren Studienabbruch erhöhen sind „schlechte Schulnoten, niedrige Intelligenztestleistungen, geringe Leistungsbereitschaft, geringes Zutrauen in die eigene Leistungsfähigkeit, Unzufriedenheit mit den eigenen Studienleistungen und fehlende fachliche und soziale Anerkennung im Kreis der Kollegen“ (Brandstätter, Grillich & Fahrthofer 2006, S. 121f). Das Risiko für einen Studienabbruch wird zusätzlich erhöht, „je schwächer Schulleistungen […], studienspezifische und allgemeine kognitive Fähigkeiten, Interessenkongruenz […], Zutrauen in die eigene intellektuelle Leistungsfähigkeit […], Entscheidungssicherheit […], intrinsische Studienmotivation sowie die Persönlichkeitsdimensionen Selbstkontrolle, Belastbarkeit und Introversion ausgeprägt sind“ (Brandstätter, Grillich & Fahrthofer 2006, S. 122).
Die eben genannten Risikofaktoren für einen Studienabbruch werden in Brandstätter, Grillich & Farthofer (S. 122) inklusive Sekundärliteratur ausführlich dargestellt.
Die herangezogen Daten stammen aus den Jahren 1991 bis 1998 von 948 Maturanten (davon 407 weiblich) die an der Universität Linz ein Studium begonnen haben. Die Quellen sind (vgl. Brandstätter, Grillich & Farthofer 2006, S. 123):
• Studienberatungstest (Test zu Fragen wie allgemeine Interessensstruktur, Persönlichkeit, Berufsaussichten und andere)
• Studienbefragung (zwei bis acht Jahre nach den Studienberatungstests gaben Befragungen Aufschluss über Studienereignisse und Studienerfahrungen)
• Archivdaten über absolvierte Prüfungen
Ergebnisse
Die Cox-Regressionsanalyse besagt, dass die Drop-out-Quote bei Absolventen des Gymnasiums niedriger ist. Weiters ist an der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät das Drop-out-Risiko bei Männern geringer als bei Frauen, während an den anderen Fakultäten das Gegenteilige beobachtet werden kann. Ein unerwartetes Ergebnis der Studie war, dass Studenten, die sich bei den Studienberatungstests in ihrer Studien- und Berufswahl unsicher, uninformiert und besorgt fühlten später umso beharrlicher in ihrem Studium waren. Wesentlich für den Studienabbruch sind nicht nur die Leistungen im Studium sondern auch die Zufriedenheit mit dem Studium (vgl. Brandstätter, Grillich & Farthofer 2006, S. 124ff).
Bei den Strukturvergleichsmodellen traf die Erwartung, dass Selbstkontrolle, Belastbarkeit, Problembelastung der Studienwahl und das Zutrauen in die eigenen intellektuellen Fähigkeiten einen direkten Einfluss auf die Leistungen im ersten Semester haben, nicht ein (vgl. Brandstätter, Grillich & Farthofer 2006, S.127f).
Bei den Mehrebenen-Analysen untersuchte man ob es Unterschiede in den Fakultäten beziehungsweise bei den einzelnen Studienrichtungen hinsichtlich der Drop-out-Rate gibt. Die Ergebnisse erwiesen sich als nicht signifikant (vgl. Brandstätter, Grillich & Farthofer 2006, S.128).
Diskussion
Aus OECD-Berichten geht hervor, dass es zwischen den einzelnen Ländern sehr große Unterschiede bei den Drop-out-Quoten gibt (vgl. Brandstätter, Grillich & Farthofer 2006, S.128).
Es steht außerhalb der Reichweite der Konzepte und Daten dieser Studie, zu analysieren welcher Prozess zu der Entscheidung führt, ein Studium abzubrechen. Die Hintergründe für einen Studienabbruch sind nicht hinreichend untersucht worden. Bei den Studienberatungstests gibt es mittlerweile neue Aspekte aus der Organisationspsychologie, die zu wenig beachtet wurden (vgl. Brandstätter, Grillich & Farthofer 2006, S.129).
Folgerung für die Studienwahl- und Studienkrisenberatung
An der Universität wird angeboten, sich bereits vor Studienaufnahme sich über die individuellen Chancen und Risiken der einzelnen Entscheidungen und Möglichkeiten zu informieren. Die Ergebnisse der Studie von Brandstätter, Grillich und Farthofer sprechen dafür, Studienberatungstest auch an deren Universitäten einzuführen. Es steht den österreichischen Universitäten frei, eine Selektion der Studenten entweder vor Studienbeginn (durch Schulnoten und/oder Tests) oder nach dem ersten/zweiten Semester (auf Grund von Prüfungsergebnissen) vorzunehmen. Brandstätter, Grillich und Farthofer geben der Auswahl auf Grund der Studienleistungen in einer Eingangsphase den Vorzug, da diese von den Betroffenen eher akzeptiert wird (vgl. Brandstätter, Grillich & Farthofer 2006, S.129f).
An einigen Universitäten in Deutschland gibt es fächerübergreifende Orientierungsstudien, die Einblicke in verschiedene Fachrichtungen geben und es Schulabgängern erlauben, in das Studentenleben hineinzuwachsen. An mehreren deutschen Hochschulen gibt es zweisemestrige Orientierungsstudien, im Rahmen derer Lehrveranstaltungen aus verschiedenen Fächern besucht werden, um direkten Einblick zu bekommen, welche Inhalte das jeweilige Studium bereithält. Wer bereits Prüfungen ablegt, kann sich diese, sofern sie aus dem passenden Fach sind, danach im regulären Studium anrechnen lassen. Beim Orientierungsstudium dreht es sich um die Fragen, ob man studieren will, was man studieren will und ob man studierfähig ist.
Bei den vielen Studiengänge kann man als angehender Student oder Studentin schon den Überblick verlieren, denn auch wenn man sich für ein konkretes Fach interessiert, hat man, wenn man von der Schule kommt, keine genauen Kenntnisse, was im jeweiligen Studium auf die Schülerin bzw. den Schüler wartet. Das ist etwa typisch für das Psychologiestudium, da hier meist völlig falsche Erwartungen hinsichtlich der Studieninhalte bestehen, aber auch bei zahlreichen technischen Studien findet sich diese Diskrepanz. Studieren an einer Universität bedeutet auch ein hohes Maß an Selbstverantwortung, die man aus der Schule nicht kennt, wobei es Ziel der Universität ist, durch ein solchen Angebot an fächerübergreifenden Orientierungsstudien Angebot Drop-out-Quoten und Studienwechsel zu reduzieren.
In Österreich ist ein solches eigenes Studium auf Probe nicht in Planung, doch wird hier mit der Einführung der Studienorientierungsphase in zahlreichen Disziplinen quasi im Studium selbst eine Art Probezeit geschaffen. Ziel ist es mit diesen Startphasen den Studierenden rasch zu zeigen, was auf sie zukommt, und die Drop-out-Wahrscheinlichkeit möglichst an den Studienbeginn zu verlegen. Hinzu kommen die Aufnahmetests in zahlreichen Studienrichtungen.
Literatur
Brandstätter, H., Grillich, L. & Farthofer, A. (2006). Prognose des Studienabbruchs. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 38, 121-131.
Stangl, W. (2019). Fächerübergreifende Orientierungsstudien – ☀ bemerkt.
WWW: https://bemerkt.stangl-taller.at/faecheruebergreifende-orientierungsstudien/ (2019-10-25).
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