Um in einer komplexen Umwelt handlungsfähig zu bleiben, muss das menschliche Gehirn die riesige Menge einströmender Sinnesdaten fortwährend sortieren und nur die Informationen ins Bewusstsein lassen, die für die aktuelle Situation von Bedeutung sind. Forschende der Universität Bremen, insbesondere am Zentrum für Kognitionswissenschaften unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Kreiter, haben entschlüsselt, dass dieser Filterprozess auf einer hochpräzisen zeitlichen Abstimmung der neuronalen Kommunikation basiert.
Entgegen der früheren Annahme, dass wichtige Reize lediglich durch eine höhere Signalstärke auffallen, zeigt die Bremer Forschung, dass die Selektion über rhythmische Schwingungen im sogenannten Gamma-Frequenzbereich erfolgt. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Objekt richten, fangen die Neuronenverbände, die dieses Objekt verarbeiten, an, in einem gemeinsamen Takt zu schwingen. Das entscheidende Element ist hierbei die Kohärenz: Die sendenden Nervenzellen und die empfangenden Areale in höheren Verarbeitungsstufen synchronisieren ihre Rhythmen so exakt, dass die Informationspakete genau dann eintreffen, wenn die Empfängerzellen maximal empfänglich sind.
Unwichtige Informationen hingegen werden nicht einfach unterdrückt, sondern sie schwingen „phasenverschoben“. Ihre Signale kommen zu Zeitpunkten an, in denen die Zielzellen nicht bereit sind, sie weiterzuleiten, wodurch sie effektiv gefiltert werden, ohne die neuronale Leitung zu blockieren. Dieser Mechanismus der rhythmischen Kopplung ermöglicht es dem Gehirn, flexibel und innerhalb von Millisekunden den Fokus zu verschieben, indem einfach der Takt der neuronalen Netze angepasst wird. Damit wurde ein grundlegendes Prinzip der kognitiven Leistung identifiziert, das erklärt, wie aus dem Chaos der Reize eine geordnete Wahrnehmung entsteht.
Literatur
Grothe, I., Neitzel, S. D., Mandon, S., & Kreiter, A. K. (2012). Mechanisms of anticipatory selective attention in area V4. The Journal of Neuroscience, 32(44), 15557–15568.