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Wie neuronale Schleifen Gewohnheiten formen

    Gewohnheiten erscheinen oft wie kleine Automatismen, die sich unmerklich in den Alltag schleichen – man bindet Schuhe, öffnet Türen oder checkt das Handy, ohne darüber nachzudenken. Doch hinter dieser Mühelosigkeit steckt ein raffiniertes Prinzip des Gehirns: Es nimmt Abkürzungen. Eine internationale Forschergruppe beschreibt, wie das menschliche Verhalten nicht durch zwei strikt getrennte Systeme – ein bewusstes, langsames und ein unbewusstes, schnelles – gesteuert wird, sondern durch ein flexibles Zusammenspiel verschachtelter neuronaler Schleifen (Hamker et al., 2025). Diese Schleifen verbinden Basalganglien, Thalamus und Cortex zu einem dichten Netz, das Informationen austauscht, Entscheidungen vorbereitet und auf Erfahrung reagiert.

    Bei neuen oder komplexen Aufgaben wählt das Gehirn zunächst den langen Weg durch all diese Schaltstellen. Jede Schleife spricht mit, das Handeln bleibt bewusst, kontrolliert und störanfällig. Doch mit wachsender Übung verändert sich die interne Navigation: Das Gehirn findet effizientere Routen, überspringt Stationen, bündelt Informationen. Verhalten wird nicht nur schneller, sondern zunehmend automatisiert. Der Übergang von bewusster Kontrolle zu Gewohnheit ist dabei kein abrupter Systemwechsel, sondern eine fließende Anpassung an die Stärke und Verschaltung der beteiligten Netzwerke.

    Diese Perspektive eröffnet nicht nur neue Einsichten in menschliches Lernen, sondern schlägt auch eine Brücke zur Technologie. Die Forscher erkennen Parallelen zwischen den neuronalen Abkürzungen des Gehirns und den Aufmerksamkeitsmechanismen moderner Transformer-Modelle, die großen Sprachmodellen wie ChatGPT zugrunde liegen. Wenn künstliche Systeme künftig ähnlich adaptive Abkürzungen nutzen, könnte dies ihre Effizienz und ihren Energieverbrauch deutlich verbessern – eine Idee, die derzeit noch spekulativ bleibt, aber das Potenzial künftiger KI-Entwicklung andeutet (Hamker et al., 2025).

    Die Studie zeigt also, dass das Gehirn nicht nur ein lernendes Organ ist, sondern ein dynamischer Routenplaner, der ständig prüft, wie sich Wege verkürzen lassen.

    Literatur

    Hamker, F. H., Baladron, J., & Janssen, L. K. (2025). Interacting corticobasal ganglia-thalamocortical loops shape behavioral control through cognitive maps and shortcuts. Trends in Neurosciences, 48, 841-852.

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