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Die erstaunliche Geschwindigkeit selektiver auditiver Aufmerksamkeit

    Mitten im Stimmengewirr einer Party oder im Vogelzwitschern eines Parks gelingt es Menschen scheinbar mühelos, eine bestimmte Stimme oder einen Laut gezielt wahrzunehmen – ein Phänomen, das als „Cocktail-Party-Effekt“ bekannt ist. Jahrzehntelang blieb jedoch ungeklärt, wie und vor allem wann unser Gehirn beginnt, diese gezielte akustische Selektion vorzunehmen. Eine neurowissenschaftliche Studie von Strauss et al. (2025) liefert nun entscheidende Einblicke in die frühen Stadien dieser auditiven Verarbeitung und zeigt, dass das selektive Hören weitaus früher im Gehirn als bisher angenommen beginnt. Im Zentrum der Untersuchung steht die Frage, wie das Gehirn relevante akustische Signale inmitten von Hintergrundlärm verstärkt und irrelevante ausblendet. Man setzte dabei auf „Chirp“-Laute, also Töne mit an- oder absteigender Frequenz, wie sie auch in den Echoeffekten an der Pyramide von Chichén Itzá zu hören sind, denn solche Laute eignen sich besonders gut, um die gesamte Hörbahn von der Cochlea über den Hirnstamm bis zum auditorischen Cortex zu stimulieren und zu analysieren. In einem Experiment wurden 31 Teilnehmenden über Kopfhörer Chirp-Laute auf einem Ohr und konstante Pieptöne als Hintergrund auf dem anderen Ohr vorgespielt. Die Proband:innen sollten sich auf bestimmte leise Signallaute konzentrieren, während ihre Gehirnaktivität per EEG gemessen wurde.

    Die Resultate waren eindrucksvoll: Bereits nach nur fünf Millisekunden zeigte sich eine verstärkte elektrische Aktivität im Colliculus inferior, einem evolutionär alten Areal des Hirnstamms. Diese Reaktion trat nur dann auf, wenn die Proband:innen aktiv zuhörten und sich bewusst auf die Chirp-Töne konzentrierten. Das bedeutet, dass die selektive auditive Aufmerksamkeit bereits auf der Ebene des Hirnstamms moduliert und nicht erst, wie bislang angenommen, im Cortex. Frühere Studien hatten eine bewusste Verarbeitung erst ab etwa 50 bis 100 Millisekunden im Cortex nachgewiesen, was die neue Forschung grundlegend erweitert. Ein weiterer Befund der Studie betraf die Synchronisierung neuronaler Reaktionen, denn die EEG-Daten zeigten, dass das bewusste Zuhören nicht nur zu verstärkten, sondern auch zu gleichmäßigeren neuronalen Signalen führt. Diese Synchronisierung ist offenbar entscheidend dafür, wie relevante Geräusche im Alltag identifiziert und verarbeitet werden.

    Diese Erkenntnisse könnten in der Entwicklung neuer Hörgeräte oder Earbuds einfließen, die durch Messung der elektrischen Aktivität auf der Kopfhaut erkennen könnten, worauf sich eine Person gerade konzentriert und dementsprechend das gewünschte Signal verstärken, sodass damitdie Technik erstmals direkt auf die neuronale Aufmerksamkeit des Nutzers reagieren würde.



    Literatur

    Strauss, D. J., Corona–Strauss, F. I., Mai, A., & Hillyard, S. A. (2025). Unraveling the effects of selective auditory attention in ERPs: From the brainstem to the cortex. NeuroImage, 316, do:10.1016/j.neuroimage.2025.121295.


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