Körperbewusstsein, also die Fähigkeit, den eigenen Körper als Teil der Umwelt wahrzunehmen und ihn gezielt einzusetzen oder auch als Hindernis zu erkennen, gilt als ein fortgeschrittenes kognitives Merkmal, das bisher nur bei wenigen Tierarten wie Elefanten, Menschenaffen, Hunden oder Kleinkindern umfassend belegt ist. Eine aktuelle Studie von Brosche et al. (2025) wirft nun einen genaueren Blick auf dieses Phänomen bei Hausschweinen (Sus scrofa domesticus), denn Schweine sind für ihre hohe Intelligenz und soziale Komplexität bekannt. Um das Körperbewusstsein bei Schweinen zu untersuchen, entwickelte man im Rahmen der Studie ein „Body-as-an-obstacle“-Paradigma. Dabei wurde eine Versuchsapparatur verwendet, die es den Tieren erlaubte, durch das Verschieben einer Holzplatte mit der Schnauze eine darunterliegende Futterbelohnung zu erreichen. Eine entscheidende Komponente dieses Experiments war eine Gummimatte, auf der die Tiere standen und die durch eine Kette mit der Platte verbunden war. Standen die Schweine auf der Matte, blockierten sie mit ihrem eigenen Gewicht die Bewegung der Platte. Der zentrale Gedanke war, dass körperbewusste Tiere diese Blockade erkennen und von der Matte herabsteigen würden, um die Platte von der anderen Seite zu schieben und so an das Futter zu gelangen.
Tatsächlich zeigten die Tiere in 52 % der Fälle dieses Verhalten, wenn die Platte durch ihr eigenes Gewicht blockiert war. Zudem agierten sie in diesen Situationen schneller und zielgerichteter als in Fällen, in denen die Platte durch eine externe, sichtbare Barriere fixiert wurde. Dies deutet darauf hin, dass Schweine in der Lage sind, flexibel auf unterschiedliche Aufgabenbedingungen zu reagieren und unter Umständen auch ihren eigenen Körper als Teil des Problems zu erkennen. Allerdings zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die Ergebnisse nicht eindeutig als Beleg für echtes Körperbewusstsein interpretiert werden können, denn in einer Kontrollbedingung, bei der die Platte aus Gründen, die für das Tier nicht ersichtlich waren, blockiert wurde, unterschied sich das Verhalten der Schweine nicht signifikant von jenem in der Testbedingung mit der Gummimatte. Dies legt nahe, dass die Tiere möglicherweise nicht aktiv reflektieren, dass ihr Körper das Hindernis darstellt, sondern vielmehr auf eine gescheiterte Handlung adaptiv reagieren, indem sie schlichtweg eine alternative Strategie ausprobieren. Somit bleibt nach wie vor offen, ob es sich bei den beobachteten Verhaltensweisen tatsächlich um Ausdruck eines bewussten Körperkonzepts handelt oder lediglich um eine Form kognitiver Flexibilität. Unabhängig von der endgültigen Beurteilung des Körperbewusstseins bei Schweinen unterstreichen die bisherigen Ergebnisse das bemerkenswerte kognitive Potenzial dieser Tiere.
Literatur
Brosche, K., McGetrick, J. & Rault, J.-L. (2025). Step aside! Assessing body awareness in pigs using a body-as-an-obstacle task. Animal Behavior and Cognition, 12, 172–234.
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