Die neurowissenschaftliche Forschung hat ein faszinierendes System im menschlichen Gehirn entdeckt, das ursprünglich für die räumliche Orientierung entwickelt wurde, aber weitaus vielfältigere Funktionen erfüllt. In der Hippocampusformation existiert ein komplexes Zusammenspiel verschiedener spezialisierter Nervenzellen, die gemeinsam unser Navigationssystem bilden. Dieses System umfasst Ortszellen, die spezifische Positionen im Raum codieren, Gitterzellen, die ein hexagonales Muster zur Strukturierung der Umgebung erzeugen, sowie weitere spezialisierte Zelltypen wie Kompass-, Geschwindigkeits- und Grenzzellen. Besonders bemerkenswert ist die Erkenntnis, dass dieses ursprüngliche Navigationssystem vom Gehirn als grundlegende Blaupause für höhere kognitive Funktionen verwendet wird. Das Gehirn nutzt diese „kognitiven Räume“ nicht nur zur räumlichen Orientierung, sondern auch zur Organisation von abstraktem Wissen, sozialen Beziehungen und komplexen Konzepten. Dabei werden Informationen entlang verschiedener Dimensionen in mentalen Karten angeordnet, wobei ähnliche Konzepte räumlich näher beieinander liegen.
Dieses Organisationsprinzip hat sich evolutionär durchgesetzt, weil es mehrere entscheidende Vorteile bietet: Es ermöglicht die effiziente Speicherung und Verarbeitung komplexer, multidimensionaler Informationen in vereinfachten räumlichen Strukturen. Zudem ist das System hochgradig flexibel und kann sich schnell an neue Situationen anpassen. Diese Flexibilität erlaubt es auch, gelerntes Wissen zu generalisieren und auf neue Kontexte zu übertragen.
Die Erkenntnisse über dieses System haben wichtige praktische Anwendungen: In der Alzheimer-Forschung könnten Veränderungen im Orts- und Gitterzellsystem als frühe Biomarker für die Erkrankung dienen, da der Hippocampus zu den ersten betroffenen Hirnregionen gehört. Auch für das Verständnis altersbedingter kognitiver Veränderungen und die Entwicklung künstlicher Intelligenz liefern diese Forschungsergebnisse wichtige Einblicke. Die Forschung zeigt auch, dass das System im Alter weniger effizient arbeitet, wobei das Gehirn dann verstärkt auf alternative Strategien zurückgreift. Diese Entdeckungen haben auch Implikationen für Lernprozesse: Die räumliche Anordnung von Lerninhalten könnte besonders gut geeignet sein, da sie der natürlichen Arbeitsweise unseres Gehirns entspricht. Dies erklärt auch, warum Menschen intuitiv dazu neigen, komplexe Zusammenhänge in räumlichen Diagrammen darzustellen.
Literatur
Stangl, W. (2024, 5. März). Ortszellen und Gitterzellen in menschlichen Gehirn. arbeitsblätter news.
https:// arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/ortszellen-und-gitterzellen-in-menschlichen-gehirn/.
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