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Die Händigkeit bei Tieren

    Die Händigkeit bei Tieren ist ein faszinierendes Phänomen, das sowohl Parallelen als auch Unterschiede zur menschlichen Händigkeit aufweist. Während beim Menschen die Rechts- oder Linkshändigkeit ein allgemein bekanntes Merkmal ist, zeigt sich bei Tieren eine erstaunliche Vielfalt und Komplexität in Bezug auf die bevorzugte Nutzung einer Seite des Körpers. Die Händigkeit bezeichnet bei Tieren allerdings nicht nur die Bevorzugung einer Vorderpfote oder eines Vorderbeins betrifft, sondern sich auf verschiedene Körperteile und Verhaltensweisen beziehen kann. Bei Vögeln kann es beispielsweise die bevorzugte Nutzung eines Fußes beim Greifen von Nahrung sein, bei Walen die Richtung, in die sie sich beim Jagen drehen, oder bei Affen die Hand, mit der sie bevorzugt nach Objekten greifen. Die Erforschung der Händigkeit bei Tieren hat auch Implikationen für unser Verständnis der Evolution des menschlichen Gehirns und der Lateralisierung von Gehirnfunktionen. Die Tatsache, dass Händigkeit in verschiedenen Formen im Tierreich auftritt, legt nahe, dass es sich um ein grundlegendes biologisches Phänomen handelt, das möglicherweise eine wichtige Rolle in der Evolution des Nervensystems gespielt hat.

    Studien haben gezeigt, dass Händigkeit bei Tieren oft artspezifisch ist und innerhalb einer Population variieren kann. Bei Schimpansen, swb nächsten lebenden Verwandten des Menschen, wurde beobachtet, dass sie, ähnlich wie Menschen, eine Tendenz zur Rechtshändigkeit aufweisen, insbesondere bei komplexen Aufgaben wie der Verwendung von Werkzeugen. Interessanterweise zeigt sich diese Präferenz bei ihnen nicht so ausgeprägt wie beim Menschen, wo etwa 90% der Bevölkerung rechtshändig sind.

    Bei anderen Tierarten ist das Bild weniger eindeutig. Katzen beispielsweise zeigen oft eine individuelle Präferenz für eine Pfote, aber auf Populationsebene gibt es keine klare Tendenz zur Rechts- oder Linkspfötigkeit. Bei Pferden wurde beobachtet, dass sie häufig eine Seite beim Grasen oder beim Starten des Galopps bevorzugen, was als eine Form der Lateralität interpretiert werden kann.

    Die Ursachen für Händigkeit bei Tieren sind vielfältig und noch nicht vollständig verstanden, wobei genetische Faktoren sicherlich eine Rolle spielen, aber auch Umwelteinflüsse und individuelle Erfahrungen können die Ausprägung beeinflussen. Bei einigen Arten wurde beobachtet, dass die Händigkeit mit dem Geschlecht korreliert, was auf hormonelle Einflüsse hindeuten könnte.

    Ein interessanter Aspekt der Händigkeit bei Tieren ist ihre mögliche adaptive Bedeutung, denn in einigen Fällen könnte die Seitenpräferenz einen Vorteil bei der Nahrungssuche oder bei Kämpfen bieten. Bei Papageien wurde beispielsweise festgestellt, dass linksfüßige Individuen in einigen kognitiven Tests besser abschneiden, was auf einen Zusammenhang zwischen Händigkeit und Gehirnfunktion hindeutet.

    Für die Tierhaltung und den Tierschutz können Erkenntnisse über die Händigkeit von Tieren ebenfalls relevant sein, um Haltungsbedingungen und Trainingsmethoden zu optimieren und so das Wohlbefinden der Tiere zu verbessern.

    Am 13. August 2019 ist der Internationaler Linkshändertag, der seit dem Jahr 1976 jährlich begangen wird. Dean R. Campbell, der 1975 auch die Organisation „Lefthanders international“ gründete, rief diesen Tag zum Linkshändertag aus – damals auch an einem Freitag, dem 13. -, und hat in den letzten Jahren zunehmend Berichte über Linkshändigkeit in verschiedenen Medien angeregt.

    Kurioses: Bei Elefanten gibt es Links- oder Rechtsrüssler

    Elefanten sind für ihr stark lateralisiertes Rüsselverhalten bekannt, aber die Mechanismen, die die Lateralisierung bei Elefanten fördern, sind nur unzureichend bekannt. Yildiz et al. (2024) untersuchten die Merkmale des Elefantenmauls, die wahrscheinlich die Lateralisierung fördern, und stellten fest, dass der Unterkiefer von Elefanten eine geringe Breite aufweist, aber rostral stark verlängert ist, sogar über den Kieferknochen hinaus. Die meisten Säugetiere haben kurze, dicht beieinander stehende Schnurrhaare an der Vorderseite des Mundes, die an der Feinkontrolle der Nahrung beim Fressen beteiligt sind. An den Seiten des Mauls haben die meisten Säugetiere dagegen längere Schnurrhaare, mit deren Hilfe sie das Maul grob auf die Nahrung ausrichten. Bei Elefanten ist es genau umgekehrt: Elefanten haben an beiden Seiten des Mauls kurze Schnurrhaare und vorne lange Schnurrhaare. Deshalb nehmen sie die Nahrung nicht wie andere Tiere von vorne, sondern von der Seite auf.
    Man nimmt daher an, dass die seitliche Nahrungsaufnahme die Spezialisierung der Tiere in rechts- und linksrüsselige Elefanten begünstigt, wobei hinzukommt, dass Elefanten die Nahrung nicht direkt mit dem Maul, sondern mit dem Rüssel aufnehmen, was zur Links- oder Rechtsrüsseligkeit der Elefanten beiträgt.



    Literatur

    Stangl, W. (2024, 11. August). Händigkeit. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik.
    https:// lexikon.stangl.eu/19401/haendigkeit.
    Yildiz, Hazal, Heise, Olivia, Gerhardt, Ben, Fritsch, Guido, Becker, Rolf, Ochs, Andreas, Sicks, Florian, Buss, Peter, de Klerk-Lorist, Lin-Mari, Hildebrandt, Thomas, Brecht, Michael (2024). Macrovibrissae and microvibrissae inversion and lateralization in elephants. Annals of the New York Academy of Sciences, 1538, 85-97.


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